Virtuelle Realität ist bei Computerspielen populär. Sie revolutioniert auch den Automobil- und Maschinenbau.
Stuttgart/Berlin - Die Spielebranche in Deutschland erhofft sich von Verkauf so genannter Virtual-Reality-Brillen einen Absatzschub für die gesamte Branche. 39 Prozent der Computer- und Videospieler in Deutschland haben laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom Interesse an einer solchen Brille. „Das entspricht 20 Millionen potenzielle Käufer“, sagte Bitkom-Präsidiumsmitglied Martin Börner. „Der Einsatz von Virtual-Reality-Brillen eröffnet gerade in der Spieleentwicklung ganz neue Möglichkeiten. Spieler können in die virtuelle Welt eintauchen und mit Hilfe von Handcontrollern und Bewegungssensoren direkt in ihr interagieren. Das wird der Branche ein deutliches Wachstum bescheren.“
Die meisten Befragten können sich den Einsatz der Brillen in Verbindung mit Simulationsspielen wie Flugsimulationen oder Fantasy- und Rollenspielen vorstellen. Die Spitzenmodelle bieten derzeit Facebook mit der Oculus Rift und HTC mit der Vive an. Bisher spielen sie für den Branchenumsatz kaum eine Rolle. In Deutschland betrug der Absatz mit digitalen Spielen und der dazugehörigen Hardware 2,8 Milliarden Euro – 4,5 Prozent mehr als 2014.
„Pokémon Go“ macht es vor: Computerspiele sind im Alltag angekommen
Laut Studie spielen vier von zehn Deutschen Computer- oder Videospiele – der Anteil von Frauen und Männern sei in etwa gleich. Neben den jüngeren Nutzern sei vor allem bei den 30- bis 49-Jährigen die Zahl der Spieler deutlich gestiegen. Dabei werden immer häufiger mobile Endgeräte wie Smartphones genutzt – auch weil für sie immer mehr Spiele-Apps angeboten wurden. Mittlerweile 85 Prozent der Spiele-Fans nutzen ihr Smartphone – ein Plus von gut 40 Prozent binnen vier Jahren. „Gaming ist in unserem Alltag angekommen. Der Anblick von Smartphone-Nutzern, die sich an öffentlichen Plätzen versammeln, um dort bei „Pokémon Go“ virtuelle Monster einzufangen, dürfte mittlerweile den meisten vertraut sein“, sagte Börner.
Auch andere Branchen nutzen die vor allem in der Spielebranche entwickelte Virtuelle Realität (VR). So können zum Beispiel im Handel Kunden die Details ihrer Wunschküche schon vorher bestimmen oder Bauherren ihr Haus schon vor Baubeginn virtuell begehen. Mit Hilfe von VR-Brillen lassen sich Flüge simulieren oder in der Montage die richtige Position der Einzelteile erkennen. Experten rechnen damit, dass die Spieleindustrie die Technologie weiterhin am stärksten antreiben wird.
Die deutschen Spieleentwickler verlieren den Anschluss
Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) ist deshalb besorgt, dass in Deutschland nicht mehr digitale Spiele produziert werden. Auch 2015 konnte Deutschland nicht zu den internationalen Produktions-Hotspots aufschließen, der Abstand habe sich sogar vergrößert, heißt es. In Deutschland entwickelte Spiele kamen demnach auf dem heimischen Markt lediglich auf einen Umsatzanteil von 6,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist ihr Anteil am Gesamtumsatz damit um einen halben Prozentpunkt gesunken.
„Zurzeit kristallisiert sich heraus, wer bei der VR-Technologie international führend sein wird“, sagte BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk dieser Zeitung. „Hier bestehen für Deutschland als Entwicklungsstandort große Chancen. Diese sollten dringend genutzt werden. Verpasst Deutschland bei VR den Anschluss, kann dies sehr schnell zu einem Hemmnis auch für die anderen Branchen wie dem Maschinen- und Automobilbau entwickeln.“
Computerspiele sind so teuer wie Hollywood-Filme
Die Entwicklungskosten für Computer- und Videospiele sind laut BIU in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Für große Blockbuster-Produktionen würden häufig dreistellige Millionenbeträge in die Entwicklung und das Marketing investiert – sie kosten also immer häufiger mehr als große Hollywood-Filmproduktionen. Die deutschen Firmen mit ihren geringeren Budgets würden unter dem Trend leiden.
Schenk schlägt deshalb vor, die Spieleentwicklung müsse in Deutschland stärker gefördert werden – im Vergleich zu anderen Ländern wie Skandinavien oder Großbritannien habe man einen großen Nachholbedarf. „Ohne Förderung und damit einer vergleichbaren Ausgangslage ist es für die Firmen schwierig, sich auf den internationalen Märkten durchzusetzen.“