Tinder hat vielerorts den handgeschriebenen Brief verdrängt. Foto: imago/imagebroker

Keine Lust auf Dating-Websites und Tinder? Im japanischen Miyazaki hat sich ein Projekt zum Erfolgsmodell entwickelt, bei dem Singles mit handgeschriebenen Briefen miteinander in Kontakt treten. Die Stadtverwaltung will so die Geburtenrate ankurbeln.

Keine Lust auf Dating-Websites und Tinder? In der südjapanischen Stadt Miyazaki hat sich ein Projekt zum Erfolgsmodell entwickelt, bei dem Singles mit handgeschriebenen Briefen miteinander in Kontakt treten. Briefe seien wirkungsvoller als digitale Nachrichten, da der Absender hier „jedes Wort mit seinem Herzen wählen“ müsse, sagte Rie Miyata, deren Unternehmen die ungewöhnliche Singlebörse im Auftrag der Stadtverwaltung betreibt. 

Briefeschreiben dauere länger als das Verfassen einer Nachricht auf einer Online-Plattform oder in einer App, erklärte Miyata. Dies inspiriere dazu, „sich die Person, mit der man kommuniziert, vorzustellen“. Bei dieser Art der Partnersuche gehe es also weniger um die Schreibkunst als darum, „dass man jedes einzelne Schriftzeichen ehrlich und mit Sorgfalt setzt und dabei fest an die Person denkt, an die man schreibt“.

„In Briefen wird man nach seiner Persönlichkeit beurteilt“

Das von Miyatas Beratungsfirma umgesetzte Projekt war 2020 an den Start gegangen. Mit rund 450 Nutzern hat es eine doppelt so große Resonanz wie von der Stadtverwaltung erwartet. Rund 70 Prozent der Briefeschreiber sind jünger als 40 Jahre. Die Stadtverwaltung erhofft sich von der analogen Partnerbörse eine Steigerung der schwachen Geburtenrate in Miyazaki.

Miyatas Team bringt die Briefeschreiber auf Grundlage von Informationen zusammen, die sie vorher übermittelt haben, etwa über ihre Lieblingsfilme und -bücher und sportliche Aktivitäten. Anders als bei Dating-Apps erfahren die Single von der Partnerbörse vorab nur das Alter ihres Brieffreundes oder ihrer Brieffreundin, nicht aber etwa den Beruf. Auch Fotos ihres potenziellen Partners bekommen sie von Miyatas Team nicht.

„Das Äußere ist oft ein entscheidender Faktor“, sagt Miyata über die Partnersuche, „aber in Briefen wird man nach seiner Persönlichkeit beurteilt“. Die Briefe gehen zunächst an die Partnerbörse, deren Mitarbeiter sie auf mögliche Schmähungen oder Obszönitäten untersuchen und dann an den Empfänger weiterleiten. Bislang vereinbarten 32 Paare ein persönliches Treffen, 17 Paare gingen tatsächlich eine Beziehung ein.

Partnervermittlungsbemühungen in Japan keine Seltenheit

Ein 25-jähriger Nutzer der Partnerbörse, der anonym bleiben wollte, sagte AFP, das Konzept habe ihn in alte Zeiten zurückversetzt. „Als Kind habe ich Briefe an das Mädchen geschrieben, in das ich verknallt war“, sagt er. „Ich mag es, wie altmodisch Briefe sind. Deshalb wollte ich bei dem Projekt mitmachen.“

Partnervermittlungsbemühungen der japanischen Behörden sind keine Seltenheit. Schließlich zählt die Bevölkerung des Landes zu den ältesten weltweit und Japans Geburtenrate ist eine der niedrigsten überhaupt. Vergangenes Jahr erreichte Japan mit nur 811.604 Geburten ein neues Rekordtief. Frauen in Japan bekommen im Schnitt 1,3 Kinder - viel zu wenig, um die Bevölkerungsgröße stabil zu halten.