Immer wieder stoßen Astronomen auf rätselhafte Objekte wie dieses etwa 40 000 Lichtjahre von der Erde entfernte mysteriöse dunkle Objekt. Bei dem Himmelskörper mit der 2,35-fachen Masse unsere Sonne im Kugelsternhaufen NGC 1851 könnte es sich um ein ungewöhnlich leichtes Schwarzes Loch handeln. Foto: Daniëlle Futselaar/artsource.nl via EurekAler/dpa

Schwarze Löcher sind eigentlich unsichtbar. Doch über extrem schnelle Sterne in der Nähe wurde nun ein neues Schwarzes Loch gefunden: ein Monster im Herzen des Kugelsternhaufens Omega Centauri.

Seit langem wird in der Astronomie der Verdacht gehegt, dass es auch mittelschwere Schwarze Löcher geben müsse. Aber zuverlässige Beobachtungen gelangen bislang nicht. Nun aber legt ein internationales Forscherteam unter Leitung von Maximilian Häberle vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg den bislang besten Beweis für genau so eine Art Schwarzes Loch vor.

Spurensuche im Kugelsternhaufen Omega Centauri

In den Archivdaten des Weltraumteleskops Hubble spürte das Team in der Mitte des Kugelsternhaufens Omega Centauri sieben Sterne auf, die sich mit extrem hoher Geschwindigkeit bewegen. Nur die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs könne die Bewegung der Sterne erklären, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“.

Aus ihren Daten schlussfolgern sie: Das Schwarze Loch im Zentrum von Omega Centauri besitzt die 8200-fache Masse unserer Sonne.

Das uns nächste massereiche Schwarze Loch

Das neu beschriebene Schwarze Loch liegt in der Nähe der Erde. Es sei etwa 18 000 Lichtjahre entfernt, erläutert Co-Autorin Nadine Neumayer. Damit sei es das nächstgelegene bekannte Beispiel für ein massereiches Schwarzes Loch.

Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet sich in einer Entfernung von rund 27 000 Lichtjahren.

150 000 Sterne im Fokus

Um neue Schwarze Löcher zu finden, hatten Astronomen immer wieder nach solchen rasenden Sternen gefahndet. Bislang erfolglos. Häberle machte sich erneut auf die Suche. Dabei griff er auf bisher für diesen Zweck ungenutzte Daten des Hubble-Teleskops zurück, das zur Eichung seiner Instrumente immer wieder Omega Centauri fotografiert hatte.

Insgesamt 500 Archivbilder aus einem Zeitraum von 20 Jahren standen dem Astronomen so zur Verfügung. Der Forscher vermaß auf diesen Bildern akribisch die Bewegung von etwa 150 000 Sternen.

Ein Bild aus Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble, die im Zeitraum 2002 bis 2023 aufgenommen wurden, zeigt den Kugelsternhaufen Omega Centauri. Das markierte Feld zeigt an, wo sich ein Schwarze Loch wahrscheinlich befinden soll. Foto: Esa/Hubble & Nasa/ M. Häberle (MPI für Astronomie)
Der Kreis markiert die wahrscheinlichste Position des intermediären Schwarzen Lochs im Zentrum von Omega Centauri. Foto: © Esa/Hubble & Nasa/ M. Häberle (MPI für Astronomie)

Sieben Nadeln im kosmischen Heuhaufen

„Die Suche nach schnellen Sternen und die Dokumentation ihrer Bewegung glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erläutert Häberle. Am Ende hatte er nicht nur den bislang vollständigsten Katalog der Sternbewegungen in Omega Centauri erstellt, sondern auch sieben Nadeln im Heuhaufen gefunden: sieben Sterne, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen.

Mit dieser Geschwindigkeit müssten, so Häberle, die Sterne aus dem Sternhaufen heraus fliegen. Nur die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs mit der 8200-fachen Sonnenmasse kann die Sterne festhalten, zeigen seine Berechnungen.

Stellare, supermassereiche und mittelschwere Schwarze Löcher

Ein Schwarzes Loch mit einer solchen Masse aufzuspüren, ist für die Astronomen von großer Bedeutung. Denn bislang kannten die Himmelsforscher lediglich zwei Arten Schwarzer Löcher:

Was sind Schwarze Löcher? Foto: dpa-Infografik
  • Stellare Schwarze Löcher: Stellare Schwarze Löcher mit bis zu 150 Sonnenmassen entstehen, wenn große Sterne ihren nuklearen Energievorrat verbraucht haben und haltlos zusammenstürzen.
  • Supermassereiche Schwarze Löcher: Daneben existieren supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse der Sonne. Diese sind, so die Vermutung, durch die Verschmelzung kleinerer Schwarzer Löcher mit einigen Tausend Sonnenmassen entstanden.
  • Mittelschwere Schwarze Löcher: Einige solcher mittelschwerer Schwarzen Löcher – es wäre dann die dritte Kategorie – sollte es noch heute im Kosmos geben. Tatsächlich stießen die Himmelsforscher auf eine ganze Reihe von Kandidaten für derartige Objekte in kleineren Galaxien und Kugelsternhaufen. Doch direkte Beweise gab es bislang nicht: Die Bewegung von Sternen in solchen fernen Objekten ist einfach zu schwer zu beobachten.
Im Zentrum des Kugelsternhaufens Omega Centauri verbirgt sich ein intermediäres Schwarzes Loch – eine lange gesuchte Zwischenform solcher Schwerkraftgiganten. Foto: © Esa/Hubble & Nasa/M. Häberle (MPI für Astronomie)

Von der Milchstraße verschluckte Galaxie

Hier kommt nun Omega Centauri ins Spiel. Er ist mit zehn Millionen Sternen der größte Kugelsternhaufen der Milchstraße. Am Südhimmel ist er sogar als Fleck mit bloßen Augen zu erkennen. Vermutlich handelt es sich bei Omega Centauri um die ehemalige Zentralregion einer kleinen Galaxie, die vor Milliarden von Jahren mit der Milchstraße kollidierte und dabei ihre äußeren Regionen verloren hat.

Die Idee war: Falls es diese Kollision gab, dann sollte sich ein zuvor im Zentrum der kleinen Galaxie vorhandenes mittelschweres Schwarzes Loch bis heute in Omega Centauri erhalten haben. Dank der Nähe des Kugelsternhaufens zur Erde lässt sich auch die Bewegung von Sternen dort beobachten.

Der 17 000 Lichtjahre entfernte Kugelsternhaufen Omega Centauri ist der hellste und massereichste der Milchstraße. Das markierte Feld zeigt an, wo sich ein Schwarze Loch wahrscheinlich befinden soll. Foto: © Esa/Hubble & Nasa/M. Häberle (MPI für Astronomie)/dpa

Weltraumteleskop James Webb misst weiter

Die jetzt von Häberle und seinem Team aufgespürten Sterne bestätigen diese Überlegung und liefern damit einen Beweis für die Existenz mittelgroßer Schwarzer Löcher. Allerdings zeigen die Hubble-Bilder lediglich die Bewegung der Sterne am Himmel und nicht die Bewegung auf uns zu oder von uns weg.

Diese Radialbewegung der sieben rasenden Sterne wollen die Forscher jetzt mit dem Weltraumteleskop James Webb messen und damit letzte Zweifel an der Existenz des Schwarzen Lochs in Omega Centauri ausräumen.

Existieren auch ultraleichte Schwarze Löcher?

Bereits im Januar berichteten Astronomen in einer Studie, dass sie ein etwa 40 000 Lichtjahre von der Erde entfernt ein mysteriöses dunkles Objekt ausgemacht hätten.

Der Himmelskörper mit der 2,35-fachen Masse unsere Sonne im Kugelsternhaufen NGC 1851 leuchte selbst nicht, sei also kein gewöhnlicher Stern, berichtet das Forscherteam im Fachmagazin „Science“.

Neue Art von Himmelskörper?

Aus einem vergehenden großen Stern kann ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstehen. Beide haben nach der gängigen Theorie einen bestimmten Massebereich. Doch das neu entdeckte Objekt stellt diese Hypothese infrage.

Für den Überrest eines explodierten Sterns – einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch – sei seine Masse ungewöhnlich, schreiben die Forscher. Sie liege in der sogenannten Massenlücke zwischen diesen exotischen Objekten. Damit sei unklar, ob es sich bei dem ungewöhnlichen Himmelskörper um einen außergewöhnlich schweren Neutronenstern, ein außergewöhnlich leichtes Schwarzes Loch – oder etwas bisher Unbekanntes handelt. Gibt es also noch eine vierte Art von Schwarzen Löchern?

Schicksal großer Sterne

Vergeht ein großer Stern am Ende seines Lebens in einer Supernova-Explosion, stürzt sein Inneres zusammen und es entsteht entweder ein Neutronenstern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen, oder ein Schwarzes Loch, bei dem die Schwerkraft so stark ist, dass nicht einmal Licht entkommen kann.

Neutronensterne können, so die Theorie, nicht mehr als das 2,2-fache der Sonnenmasse enthalten, sonst würde die Schwerkraft Oberhand gewinnen und ein Schwarzes Loch müsste entstehen. Doch Schwarze Löcher findet man im Kosmos erst ab etwa fünf Sonnenmassen.

Pulsar bildet System mit anderem Himmelsobjekt

Dazwischen klafft ein Lücke, die bislang für die Astronomen rätselhaft ist. Lediglich Messungen von Gravitationswellen deuten darauf hin, dass es auch in dieser Massenlücke vereinzelt Himmelskörper gibt. Wobei deren Natur und Entstehung bislang unklar ist. Deshalb stellt die Entdeckung eines derartigen Himmelsobjekts für Astronomen einen großen Fortschritt dar.

Die Forscher stießen bei Beobachtungen des Pulsars PSR J0514-4002E auf das seltsame Objekt. Ein Pulsar ist ein Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehung regelmäßige Radiopulse zur Erde sendet – in diesem Fall 170 mal pro Sekunde.

Die genaue Messung dieser Pulse zeigte den Wissenschaftlern, dass der Pulsar mit einem weiteren Objekt ein enges Doppelsystem bildet. Aus den Daten ergibt sich für dieses Objekt eine Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen mit dem wahrscheinlichsten Wert von 2,35 Sonnenmassen.

Handelt es sich um ein Doppelstern-System?

Wie aber könnte sich ein solches Objekt in der Massenlücke gebildet haben? Da sich PSR J0514-2002E in einem Kugelsternhaufen befindet, vermuten Stappers und seine Kollegen eine komplexe Entstehungsgeschichte. Denn NGC 1851 enthält etwa eine halbe Million Sterne, die sehr eng beieinander stehen. Deshalb kommt es dort – in astronomischen Maßstäben - häufig zu engen Begegnungen, bei denen Doppelsterne neu entstehen oder gar ihre Partner tauschen.

Möglicherweise entstand der exotische Begleiter des Pulsars durch die Verschmelzung zweier kleinerer Neutronensterne und gelangte erst später bei einer engen Begegnung in die Umlaufbahn um den Pulsar, so die Vermutung des Teams.