Die Sanierung von Brücken ist aufwändig, aber es fließt nicht viel Geld ab. Wenn ein Land wie Baden-Württemberg verstärkt auf Sanierung setzt, tut es sich daher schwer, alle Bundesmittel zu verbauen Foto: dpa

Straßenbaumittel, die nicht abgerufen werden, sind im staugeplagten Baden-Württemberg ein Reizthema. Nach zwei guten Jahren droht in diesem Jahr der Landesregierung wieder Ärger.

Stuttgart - Bis zu zehn der insgesamt 814 Millionen Euro an Bundesmitteln für den Bundesfernstraßenbau könnten dieses Jahr in Baden-Württemberg verfallen. Das war nach Recherchen unserer Zeitung der Stand vor wenigen Wochen, als Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die vier Regierungspräsidenten des Landes zusammentrommelte. Vor allem das Regierungspräsidium Tübingen habe Probleme, das zur Verfügung stehende Geld zu verbauen, hieß es aus informierten Kreisen.

Bei dem Treffen soll demnach auch darüber beraten worden sein, wie man das heikle Thema öffentlich kommuniziert. Denn im Frühjahr 2014 hatte es wegen verfallener Bundesmittel aus dem Jahr 2013 große politische Aufregung im Landtag und schwere Vorwürfe gegen Hermann gegeben.

Regierungspräsidien müssen schweigen

Offenbar war ein Ergebnis der Beratungen, dass die Sprecher der vier Regierungspräsidien im Land schweigen müssen. Fragen zu dem Thema beantwortet nur das Landesverkehrsministerium. Dessen Sprecher sagt, dass man noch gar nichts sagen könne:. „Das Jahr hat noch ein paar Wochen, und es hängt auch sehr von der Wetterlage ab, wie viel man da noch hinbekommt, welche Baustelle da noch fertig wird und wo da noch eine Rechnung geschrieben werden kann.“

Dass Hermann kürzlich die vier Regierungspräsidenten in der Frage zusammentrommelte, bestätigt sein Sprecher allenfalls indirekt. „Wir hören regelmäßig bei den Regierungspräsidien rein, wie es läuft und ob man noch was ändern kann“, sagt er. Zugleich räumt er ein, dass das Regierungspräsidium Tübingen beim Verbauen der Bundesmittel in diesem Jahr „das eine oder andere Problem gehabt hat, das wissen wir“.

Baufirmen sind ausgelastet

Welche Probleme genau? Hinter vorgehaltener Hand ist von relativ vielen kleinen Baumaßnahmen die Rede, die viel Arbeit machten, aber nicht viel kosteten. Zudem hatte Tübingen offenbar besonders große Probleme, überhaupt Baufirmen zu finden, die für dieses Jahr Aufträge angenommen haben. „Die Baubranche boomt, die Unternehmen sind sehr stark ausgelastet“, heißt es. Nun hofft man, dass das Wetter bis Weihnachten gut genug zum Bauen sein wird. Dann könnte man auf der Albhochfläche, wo die A 8 gerade sechsspurig ausgebaut wird, noch einiges an Bundesgeld verbauen.

Beim Ausbau von Autobahnen kann in relativ kurzer Zeit viel Geld verbaut werden. „Da geht im Schnitt pro Kilometer eine Million weg“, heißt es. Anders sei es bei der Sanierung von Fahrbahnen, Tunneln und Brücken. „Das ist sehr zeitaufwendig und personalintensiv, aber es fließt nicht schnell viel Geld weg“, so Hermanns Sprecher. Da das Land hier künftig einen Schwerpunkt setzen und etwa zwei Drittel der Mittel für Sanierung ausgeben will, wird das Problem, die Mittel zu verbauen, „in den nächsten Jahren noch zunehmen“, so der Sprecher.

2013 verfielen sechs Millionen Euro

Nach seinen Angaben kann es noch weit bis ins nächste Jahr dauern, bis man für dieses Jahr seriös Bilanz ziehen kann. Er erinnert an die große Aufregung im Frühjahr 2014, als von 15 oder sogar 100 Millionen Euro an verfallenen Bundesmitteln im Jahr 2013 die Rede war. Tatsächlich seien es nur sechs Millionen Euro gewesen, so Hermanns Sprecher. Eine große Rechnung auf einer Baustelle sei nämlich zwischen Land und einer Baufirma noch strittig gewesen. Die habe deshalb zunächst nicht in die Aufstellung mit einfließen können.

Ähnlich könnte es laut Hermanns Sprecher auch dieses Jahr laufen: viel Aufregung um wenig. Wobei Hermanns größte Kritikerin von 2014, die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi, mittlerweile Teil der grün-schwarzen Regierungskoalition ist. Dies verlangt von Razavi zum einen eine gewisse Mäßigung, zum anderen aber wurden nach dem Regierungswechsel von ihrer Seite auch Versprechungen gemacht. „Die CDU konnte in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen, dass alle Maßnahmen des neuen Bundesverkehrswegeplans in seiner Laufzeit umgesetzt und alle Bundesmittel abgerufen werden“, hieß es zum Beispiel in einer Pressemitteilung von Razavi und dem CDU-Verkehrsexperten Felix Schreiner vom 20. Oktober. Dazu müsse das Land die notwendigen Voraussetzungen bei Planung und Bau schaffen. „Wir haben keinen Zweifel“, hieß es damals, „dass der Verkehrsminister diese Vereinbarung umsetzen wird.“

Sollte es nun so kommen, dass Hermann die Vereinbarung doch nicht ganz umsetzen kann, wäre Razavi nicht überrascht. Die grün-rote Vorgängerregierung habe viel zu wenig Planungsmittel zur Verfügung gestellt, moniert sie. Und das habe eben auch Folgen für die folgenden Jahre.