Die Stuttgart Scorpions (ganz in Rot) spielen in der German Football League. Foto: Baumann

Der American-Football-Verband Deutschland (AFVD) ist seit 2007 um fast 70 Prozent gewachsen, und die Vereine wie der Erstligist Stuttgart Scorpions verzeichnen ein zunehmendes Zuschauerinteresse.

Stuttgart - Markus Würtele ist Anfang Oktober in eine schöne neue Welt eingetaucht. Der Vorsitzende des American-Football-Erstligisten Stuttgart Scorpions schaute sich vor Ort mit dem Spieler Fabian Weigel eine Partie der New York Jets in der Profiliga NFL an. 78 160 Fans machten zuerst den Sonntag auf dem Parkplatz des Metlife Stadium beim sogenannten Tailgating vor dem Spiel gegen die Seattle Seahawks zum Feiertag – anschließend ertrugen sie die 17:27-Niederlage mit Würde. Misserfolg sind die Jets-Anhänger ja gewohnt. „Ich war geplättet, auch von dem ganzen technischen Drumherum“, sagt Markus Würtele im Blick zurück auf sein erstes NFL-Livespiel in den USA. Seine Karte (seitlich der Endzone, 30. Reihe) kostete ihn knapp 200 Euro, unter 100 Euro gab es selbst oben im dritten Tribünenrang kaum ein Ticket.

Die deutsche Liga gehört zu den besten Ligen außerhalb Nordamerikas

Die Stuttgart Scorpions verlangen 16 Euro Eintritt bei ihren Heimspielen. Der Unterschied zwischen der National Football League (NFL) und der German Football League (GFL) ist aber nicht nur in dieser Hinsicht gewaltig, obwohl die deutsche Liga zu den besten Ligen außerhalb Nordamerikas zählt. „Das kann man nicht miteinander vergleichen – da braucht man nicht rüberzuschauen, es wird in Deutschland nie so sein wie in den USA“, sagt Markus Würtele. „Das sind Profis, der Sport spielt sich auf einem ganz anderen Level ab.“

Die Spieler im Land des Europameisters sind Amateure. Bei den Scorpions stehen Klempner neben Maschinenbauingenieuren oder Studenten auf dem Platz, sie trainieren zwei- bis dreimal zusammen und privat noch im Fitnessstudio. Zu ihnen gesellen sich jedes Jahr drei Importspieler aus den USA. In der Regel sind es Collegeabsolventen, die nicht in der NFL oder der kanadischen Profiliga CFL unterkommen und in Europa die Karriere ausklingen lassen. Oder zumindest Spielpraxis sammeln.

1000 der 1500 Karten für die Superbowl-Party der Scorpions sind vergriffen

Insgesamt gibt es in Deutschland sechs Spielklassen mit 234 Teams von der GFL bis hinunter in die Bezirksliga. Nach den aktuellsten Zahlen von 2016 umfasst der American-Football-Verband Deutschland (AFVD) 55 305 Mitglieder und damit mehr als etliche olympische Verbände wie Triathlon, Eishockey, Fechten oder Gewichtheben. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 70 Prozent seit 2007 (32 697).

Zu den Heimspielen der Stuttgart Scorpions kamen 2016 im Durchschnitt rund 1600 Zuschauer. „In den vergangenen vier, fünf Jahren haben wir immer 25 Prozent Zuwachs gehabt“, sagt Markus Würtele. Ähnliches gilt für die Super Bowl-Party der Scorpions. Bis vor ein paar Jahren waren es noch 200 Gäste, für das Event an diesem Sonntag (22 Uhr) im Ufa-Palast sind 1000 der 1500 Karten vergriffen. Der Grund für das steigende Interesse liegt auf der Hand: „Früher war Football-Schauen im Fernsehen für Deutsche unmöglich, jetzt sehen es immer mehr Leute sonntagabends statt ‚Tatort‘“, sagt Markus Würtele.