Eberhard Linckh ist freiwillig früher in Rente gegangen, um sich noch mehr an Klimaaktionen zu beteiligen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Eberhard Linckh aus Stuttgart ist bei Robin Wood. Wenn es bei einer Aktion zackig gehen muss, schafft es der 65-Jährige, die ersten zwei Meter auf eine Straßenlaterne auch ohne Aufstiegshilfe hochzuklettern. Zum Beispiel bei der Automesse IAA.

Er habe noch keine Aktion der Letzten Generation live erlebt, sagt Eberhard Linckh. Und die Videos könne er sich nur mit Überwindung ansehen. Szenen, wenn Passanten die auf der Straße klebenden Aktivisten treten und beleidigen, gehen ihm nahe. „Das wäre nicht meine Aktionsform.“ Er hat für sich eine passendere gefunden: Der 65-jährige Stuttgarter ist seit zehn Jahren bei den Naturschützern von Robin Wood.

 

Krasser könnten die Unterschiede kaum sein. Bei der letzten großen Klimaaktion, an der Eberhard Linckh maßgeblich beteiligt war, haben die Passanten nicht attackiert, sondern applaudiert. Das war Anfang September im Rahmen der Automesse IAA in München. Auf einem Banner, das Robin-Wood-Aktivisten überraschend auf dem Odeonsplatz entrollt haben, stand: „Saubere Autos sind eine dreckige Lüge.“ Und wie gesagt, die Umstehenden haben geklatscht. „Das hätte ich so nicht erwartet, unsere Aktion war ja schon eine Provokation.“

Sein Chef ist Robin Wood sogar beitreten

Eberhard Linckh, 65, lebt in Stuttgart. Vor vier Jahren hat er vorzeitig aufgehört, als Softwareentwickler zu arbeiten. Er habe gut verdient und mit einem emissionsarmen Lebensstil Geld gespart. „Ich wollte mich noch mehr dem Aktivismus widmen“, sagt er. Wobei ihm sein Arbeitgeber, ein Mittelständler, stets freie Bahn gelassen habe, wenn er mit einer spontanen Aktion wieder einmal Sand ins Getriebe streuen wollte. Sein Chef sei Robin Wood sogar beigetreten, sagt er. Um mehr Raum zu haben, machte er trotzdem den Schnitt. Seither kann er unter der Woche tagsüber hoch zum Waldheim Raichberg radeln, wo Handys schwer Empfang finden, Eberhard Linckh dafür aber genügend Bäume zum Trainieren. Um sich für Natur und Klima einzusetzen, ist er zu einer Art Tarzan geworden.

Angefangen hatte für ihn der Protest im Klettergurt bei den Parkschützern im Stuttgarter Schlossgarten. Er hatte daraufhin Kletterkurse gemacht, ist bei Robin Wood eingetreten und schafft heute die ersten zwei Meter auf eine Straßenlaterne – wenn’s zackig gehen muss – ohne Aufstiegshilfe. Wie 2021 bei der IAA in München. Wer dort auch nur annähernd zu aufrührerisch aussah, sei gefilzt worden. Er selbst habe sich fein angezogen, Sakko, Rollkoffer. Nur dass dieser vermeintliche Geschäftsmann plötzlich auf der Laterne saß und zusammen mit anderen ein Transparent entrollt hat: „Mit Vollgas in die Klimakrise.“ Die Sicherheitsleute hätten von unten mit Schlägen gedroht. Da feiert das Adrenalin Party. Oder wie Eberhard Linckh es ausdrückt: „Das ist schon spannend.“

Klettern ist für ihn inzwischen eine weitere Form der Fortbewegung. Wie laufen, radeln oder schwimmen. Auch bei schlechten Wetter- und Sichtbedingungen findet er sich auf Bäumen zurecht, sagt er. Er war auch ein paar Tage im Hambacher und im Dannenröder Forst dabei. Seinen grünen Robin-Wood-Hoodie hatte er da aber nicht an. Man wolle nicht mit dem Logo Proteste anderer Initiativen kapern.

Warum der Stuttgarter die Gerichtstermine und Strafen eingeht

Eberhard Linckh stand in seinem Leben schon mehrmals vor Gericht und hat rund 2000 Euro an Strafen gezahlt. Er riskiere den Ärger, „weil ich denke, dass ich dazu beitragen kann, etwas aufzuhalten“. Bereits die vor 50 Jahren vom Club of Rome veröffentlichten „Grenzen des Wachstums“ hätten ihn aufgeschreckt. „Dass ich den Klimawandel selbst noch so richtig hautnah spüren würde, das hätte ich nicht gedacht.“ Und nun, wo sich eben dies abzeichnet, warum wirkt er so gelassen? „Wahrscheinlich weil ich 65 bin und keine Kinder habe“, sagt er nach einer kurzen Pause.

Letztlich begleitet ihn die Liebe zur Natur, und irgendwie besonders für die luftigeren Sphären, schon sein ganzes Leben. Er ist auf einem Bauernhof im Welzheimer Wald aufgewachsen. Mit sieben habe er den ersten Nistkasten gebaut, etwas später zu Forschungszwecken sogar verkabelt. Er hat die Vögel beobachtet und gelernt, sie zu unterscheiden. „Ich kann Ihnen hier jeden Vogel sagen“, sagt er unter einer stattlichen Eiche auf dem Raichberg. So kam es, dass er selbst auch hoch hinaus wollte. Nicht nur als Kletternder, sondern auch als Fliegender.

Mit Mitte 40 ist Eberhard Linckh deutscher Meister mit dem Gleitschirm geworden. Es nötigenfalls auch mal elf Stunden lang am Schirm auszuhalten, sich durchzubeißen sei zwar hart. Er geht allerdings gern an seine persönlichen Grenzen – was ihm völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffne, wie er sagt.

Das gilt für den Flug mit dem Gleitschirm, das gilt aber auch für die trockenen Nächte, in denen er in einem Baum übernachtet. Festgegurtet in einer Hängematte. „Ich mag dieses Alleinsein.“ Ein einsames Baumeln am Freund, dem Baum.

Aktionen von Robin Wood

Gründung
Robin Wood gibt es seit 1982. Da hatte sich eine Gruppe Aktivisten von Greenpeace abgespalten, weil ihnen die Organisation zu hierarchisch war. Gründungsort war Bremen; die Mitglieder verstehen sich als die „Rächer der Entlaubten“. Robin Wood hat etwa 1400 Mitglieder. In der Regionalgruppe Stuttgart sind zehn Leute aktiv.

Ziele
Die Ziele von Robin Wood sind Klima- und Umweltschutz, Mobilitäts- und Energiewende. Die öffentlichkeitswirksamen Aktionen sollen die politische Meinungsbildung beeinflussen, zudem wollen sie dem Marketing und Greenwashing der Konzerne Bilder entgegensetzen. ana