Kurze Phasen hoher Belastung lassen sich auch durch das Treppenlaufen erreichen. Foto: imago/Cavan Images

Eine Studie zeigt: Fürs Abnehmen muss man keinen Marathon laufen. Kurze Phasen hoher Belastung können den gleichen Effekt wie Ausdauersport haben. Der Grund ist ein Stoff, der appetitzügelnd wirkt.

Ausdauersport gilt wegen seines hohen Kalorienverbrauchs als Königsweg im Kampf gegen Übergewicht. Doch eine aktuelle Studie zeigt, dass auch kurze und intensive Bewegungsreize beim Abspecken helfen können. Denn sie drosseln besonders effektiv den Appetit.

Vergleicht man die schnellsten 100-Meter-Läufer mit den besten Marathonläufern der Welt, so scheint die Sache klar: Wer abnehmen will, sollte Ausdauersport machen. Denn während die muskelbepackten Sprinter wie aus einem Gladiatorenfilm wirken, möchte man den ausgezehrten Ausdauersportlern eher mal ein 3-Gänge-Menü spendieren. Und es klingt ja auch logisch: Wer stundenlang läuft, verbraucht mehr Kalorien als jemand, dessen sportlicher Auftritt schon nach 10 Sekunden zu Ende ist.

Stoff Lac-Phe hilft beim Abnehmen

Doch ein Forscherteam von der Stanford University School of Medicine hat jetzt in einer Reihe von Untersuchungen gezeigt, dass man sportlich nicht unbedingt über lange Distanzen gehen muss, um überschüssigen Fettpolstern zu Leibe zu rücken. Im Fokus der Wissenschaftler: Ein Stoff namens N-Lactoyl-Phenylalanin, kurz Lac-Phe. Gebildet wird er aus dem Eiweißbaustein Phenylalanin, und der Milchsäure, die jedem Sportler bekannt sein dürfte, weil sie für eine unwiderstehliche Müdigkeit in den Muskeln sorgen kann. Sie entsteht, wenn ein Muskel so intensiv arbeitet, dass er seinen Energiebedarf nicht mehr mit Sauerstoff, sondern anaerob, also ohne Sauerstoff decken muss.

Das Besondere an Lac-Phe ist, dass er wie ein Appetitzügler wirkt. Als die Forscher den Stoff ihren Testmäusen injizierten, verloren die deutlich ihre Lust am Fressen; und als man ihn über mehrere Tage spritzte, verloren sie auch sichtbar Körperfett. Anschließend unternahmen die Forscher einen Versuch am Menschen. Man ließ acht junge Männer drei unterschiedliche Formen des Körpertrainings absolvieren: ein 90-minütiges Strampeln auf dem Heimfahrrad, ein Krafttraining an Hantelgewichten, und wieder ein Training am Hometrainer, nur dass dort diesmal in mehreren 30 Sekunden-Intervallen und in größtmöglicher Intensität trainiert wurde. Im Anschluss an die jeweiligen Einheiten wurde der Lac-Phe-Wert im Blut gemessen.

Intervalltraining wirkt am stärksten appetitmindernd

Es zeigte sich: Bei allen Trainingsformen ging der Lac-Phe-Pegel nach oben, doch am deutlichsten war der Anstieg im Anschluss an das hochintensive Intervalltraining, gefolgt vom Kraftsport. Die 90 Minuten am Hometrainer hatten den geringsten Effekt. Bei intensiven Kurzzeitbelastungen wird also im menschlichen Körper besonders viel Lac-Phe freigesetzt. Ob das auch besonders stark den Appetit hemmt, wurde nicht überprüft. Aber aus anderen Studien ist schon länger bekannt, dass ein sogenanntes HIIT (High Intensity Interval Training) den Appetit bremsen kann. Bisher hat man dies vor allem damit erklärt, dass es die Ausschüttung von Ghrelin ausbremst, das wegen seiner appetitanregenden Wirkung oft als „Hungerhormon“ bezeichnet wird. Mit Lac-Phe gibt es nun einen weiteren Kandidaten für die Erklärung des Appetitzüglereffekts.

Sportmediziner empfehlen HIIT für Gesundheitssport

Studienleiter Jonathan Long rät allen, die nach dem Sport mit starkem Heißhunger zu kämpfen haben, beim Training mehr auf hohe Intensitäten als auf eine lange Belastungsdauer zu setzen. Dies passt zum HIIT-Trend, der zwar nicht wirklich neu ist. Bereits die Langlauflegenden Rudolf Harbig und Emil Zatopek liefen in Intervallen. Nun empfehlen Sportmediziner die Trainingsform auch für den Gesundheitssport.

„Die Renaissance des HIIT hat auch viel mit dem Imagewechsel der Milchsäure und ihrer Laktatsalze zu tun“, erklärt Patrick Wahl von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Man sieht sie nicht mehr als „Bad Guys“ des Gesundheitssports, die bloß müde und trainingsunwillig machen, sondern vielmehr als wichtige Energieträger, die wichtige Anpassungsprozesse im Stoffwechsel und Hormonhaushalt des Körpers anregen.

Mit HIIT beim Sport Zeit sparen

In einer kürzlich publizierten Studie wirkte HIIT auf Fitness, Cholesterinwerte und Body Mass Index (BMI) von 42 mäßig übergewichtigen Menschen genauso positiv wie gleichmäßiges Walking. Binnen vier Wochen reduzierte sich der Taillenumfang bei allen Probanden um rund zwei Zentimeter und der Körperfettanteil um etwa einen Prozentpunkt. Was im Umkehrschluss zwar heißt, dass man mit flottem Gehen ähnlich abspecken kann wie mit Schweiß treibendem Hochintensiv-Training. Den Unterschied mache jedoch, wie Studienleiter Martin Gibala von der McMaster University in Ontario betont, der Aufwand: Die Walker waren am Ende täglich 40 Minuten unterwegs, die HIIT-Sportler nur knapp 24 Minuten, nämlich 12 Mal eine Minute schnelles Joggen oder Radfahren im Wechsel mit gleich langer, weniger intensiver Belastung.

In jedem Falle sollte Sport so intensiv sein, dass er das Muskelwachstum anregt. „Denn Muskelmasse hat nicht nur während der Arbeit, sondern auch in Ruhe einen erhöhten Kalorienverbrauch“, betont Winfried Banzer, emeritierter Sportmediziner von der Goethe-Universität in Frankfurt. Was aber nicht heißt, dass man im Fitnessstudio schwere Gewichte stemmen muss. Durch regelmäßiges Joggen und Radfahren kommt es ebenfalls zum Muskelaufbau. So gehört beispielsweise das Herz zu den Muskeln, die beim Ausdauersport wachsen.

Wissen

HIIT
Beim hochintensiven Intervalltraining wechseln Perioden mit 90 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit mit Belastungsphasen, in denen nur mit etwa 50 Prozent Power trainiert wird. Die jeweiligen Phasen dauern 20 Sekunden bis vier Minuten. Frauen können etwas kürzere Pausen machen als Männer, weil sie die sauren Laktate schneller abbauen.

Eignung
Wegen der hohen Belastungsintensität sollten Herzpatienten kein HIIT betreiben. Diabetiker sollten es vorsichtig angehen, da die hohe Belastungsintensität zu einem raschen Anstieg des Blutzuckers führen kann. Stark Übergewichtige sollten zur Gelenkschonung Radfahren statt Laufen. zit