Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine kommen mit dem Zug in Berlin an. Foto: dpa/Paul Zinken

Am Mittwoch sind wieder Dutzende Flüchtlinge aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof angekommen – mit berührenden Geschichten.

Berlin - Helena hält sich fassungslos beide Hände an den Kopf: „Es ist unmöglich, ich kann es nicht verstehen“, sagt die Ukrainerin in gebrochenem Englisch über den Krieg in ihrer Heimat. Zusammen mit Dutzenden anderen Flüchtlingen aus der Ukraine ist die Mutter von drei Kindern gerade eben mit dem Zug am Berliner Hauptbahnhof angekommen. Für die Fahrt mussten sie nichts zahlen, weil die Deutsche Bahn Geflüchteten mit ukrainischem Pass oder Personalausweis erlaubt, alle Fernzüge aus Polen in Richtung Deutschland bis Berlin zu nutzen.

 

Freiwillige: „Die Züge werden sehr voll sein“

An den Gleisen 13 und 14 kommen an diesem Mittwochvormittag die Züge aus Polen an. Schon am Dienstagabend waren Züge mit rund 1300 Kriegsflüchtlingen in Berlin angekommen. Von einem „unglaublichen sprunghaften Anstieg“ bei der Zahl der ankommenden Menschen in der Hauptstadt sprach Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke).

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Am Bahnsteig steht Iwona, eine freiwillige Helferin. „Die Züge werden sehr voll sein“, sagt die Polin. „Ich lebe in Berlin und kann in Polen nicht helfen, deshalb unterstütze ich die Helfer hier“, sagt sie. Als sich die Türen eines Nachtzugs aus Warschau öffnen, ertönen Durchsagen in ukrainischer Sprache, die die Flüchtlinge in Berlin begrüßen.

Erschöpft und hungrig von der langen Flucht

Die Menschen steigen mit ihren Kindern an den Händen aus, ziehen Trolleykoffer hinter sich her, tragen voll gepackte Taschen, eine Frau hat auch ihre Katze in der Transportbox dabei. Einige haben Verwandte in Deutschland und werden von diesen am Bahnsteig sehnsüchtig empfangen. Irina zum Beispiel ist aus dem Schwarzwald in die Hauptstadt gefahren, um ihre Schwägerin mit ihrem Sohn abzuholen. Die beiden sind aus Kiew geflohen. „Sie haben ständig Angst gehabt und auf den richtigen Moment zur Flucht gewartet“, erzählt Irina.

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Andere auf dem Bahnsteig wirken orientierungslos, haben fragende Blicke. Die Helfer in den gelben und orangefarbenen Warnwesten zeigen ihnen den Weg zu den Versorgungsstationen oder zu Anschlussverbindungen. „Manche brauchen nur ein Ticket, andere brauchen Hilfe bei rechtlichen Fragen“, erklärt Judith Rauwald, die sich als Koordinatorin der Freiwilligen engagiert. Wiederum andere Geflüchtete sind einfach nur erschöpft und hungrig von der langen Flucht.

Bisher 5000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine – Zahl könnte höher liegen

Auf der unteren Zwischenebene des Hauptbahnhofs haben die Helfer deshalb eine Station mit Essen und Getränken eingerichtet. Anschließend fahren Busse die Menschen, die nicht bei Verwandten unterkommen, in Flüchtlingsunterkünfte. Judith Rauwald arbeitet normalerweise als freiberufliche Kommunikationstrainerin, doch als sie am vergangenen Sonntag mitbekommen hat, dass am Berliner Hauptbahnhof noch keine Ankunftsorganisation auf die Beine gestellt wurde, ließ sie „alles stehen und liegen“. Mittlerweile bekommen die freiwilligen Helfer aber Unterstützung, etwa vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), der Feuerwehr oder der Deutschen Bahn.

5000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat das Bundesinnenministerium in Deutschland zuletzt registriert. Da aber an den EU-Binnengrenzen keine Grenzkontrollen stattfinden, könnte die Zahl schon wesentlich höher sein.

„Wenn die Kinder schlafen, dann weine ich“

„Die Menschen sind meistens gezeichnet von langen Fußmärschen“, berichtet Nicolas Schönemann vom DRK. Viele hätten geschwollene Füße, seien umgeknickt oder hätten sich ein Knie verdreht. Menschen in psychischen Ausnahmezuständen habe es aber bisher noch nicht gegeben.

Vor der DRK-Station steht Helena mit ihren Kindern, die ihre Plüschhasen im Arm halten und kichernd miteinander spielen, als wüssten sie nicht, dass in ihrer Heimat zurzeit Krieg herrscht. Die Flucht sei sehr anstrengend gewesen, erzählt Helena: „Wir haben auf dem Boden und den Sitzen geschlafen.“ Der Stress und das Adrenalin lenke sie aber immerhin etwas von den Ereignissen in der Heimat ab. In den raren Momenten, in denen die Mutter zur Ruhe kommt, bricht die ganze Trauer aus ihr heraus: „Wenn die Kinder schlafen, dann weine ich.“