Es werde „vorsichtige erste Schritte“ in eine neue Normalität geben, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Foto: AFP/FRANK RUMPENHORST

Das öffentliche Leben ist eingefroren. Wie kann es langsam wieder in Bewegung kommen, ohne dass die Corona-Pandemie außer Kontrolle gerät? Bund und Länder wollen beraten. Im Fokus stehen insbesondere die Schulen.

Berlin - Vor möglicherweise entscheidenden Beratungen von Bund und Ländern an diesem Mittwoch nimmt die Debatte um eine Lockerung der Corona-Auflagen erneut Fahrt auf. Insbesondere eine schrittweise Öffnung der Schulen ist nun im Gespräch. „Am Ende geht es darum, die richtige Balance zu finden zwischen Gesundheitsschutz, öffentlichem Leben und der Wirtschaft“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Wiesbaden. Es werde „vorsichtige erste Schritte“ in eine neue Normalität geben. „Es geht darum, mit dem Virus zu leben und leben zu lernen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Mittwoch in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen im Kampf gegen das Coronavirus beraten. Mit Spannung erwartet wird, ob und welche Art von Fahrplan es geben wird, um die einschneidenden Maßnahmen wie Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen langsam zu lockern.

Mit dem Verhalten der Bürger am Osterwochenende zeigte sich Spahn zufrieden. Die Einschränkungen wegen der Corona-Krise hätten „eine sehr, sehr hohe Akzeptanz und Unterstützung“ in der Bevölkerung gefunden, sagte er.

Söder warnte vor Überbietungswettbewerb

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte vor einem Überbietungswettbewerb: „Wir brauchen einen sicheren und besonnenen Weg aus der Corona-Krise“, schrieb der CSU-Politiker am Dienstag auf Twitter. „Unsere Maßnahmen wirken, aber wir dürfen keinen Rückschlag riskieren.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dämpfte die Erwartungen: „Niemand von uns sollte die Illusion haben, dass wir ab nächster Woche unser altes Leben zurückbekommen.“ Man werden „allenfalls über erste, vorsichtige Schritte zur Lockerung der geltenden Einschränkungen“ reden können.

Die nationale Wissenschafts-Akademie Leopoldina hatte am Montag für einen „realistischen“ Zeitplan zurück zur Normalität plädiert. Die Wissenschaftler empfahlen, Schulen „sobald wie möglich“ wieder zu öffnen - angefangen bei Grundschulen sowie Unter- und Mittelstufen. Die Leopoldina nannte aber auch viele Voraussetzungen für eine Rückkehr zu mehr Normalität. Zudem liegt eine Ausarbeitung eines von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) berufenen Expertenrats vor.

Schulen zuerst wieder für höhere Jahrgänge öffnen

Das Robert Koch-Institut schlug hingegen vor, Schulen zuerst wieder für die höheren Jahrgänge zu öffnen. Es gehe dabei um die Annahme, dass Jugendliche Abstandsregeln besser einhalten könnten, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. „Das ist eine Entscheidung der Politik“, ergänzte er. Es gebe Gründe dafür und dagegen.

Es gebe derzeit noch keine Hinweise darauf, dass die Coronavirus-Epidemie in Deutschland eingedämmt sei, betonte Wieler. Es sei aber gelungen, sie zu verlangsamen, vor allem durch das Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln. „Diese Disziplin sollten wir weiter beibehalten.“ Im Moment stecke ein infizierter Mensch in Deutschland durchschnittlich 1,2 weitere Menschen an, so Wieler. Um die Epidemie abflauen zu lassen, müsste diese sogenannte Reproduktionszahl unter 1 liegen.

Bei der möglichen Wiederöffnung von Kitas müsse das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle spielen, erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Eltern stießen bei der Betreuung von kleinen Kindern zuhause zusätzlich zum Homeoffice zunehmend an ihre Grenzen. „Gerade Alleinerziehende können das nicht länger ohne Entlastung von außen leisten“, erklärte Giffey. Gedacht werden müsse auch an Kinder aus Familien, die in „sehr beengten und schwierigen sozialen Verhältnissen“ lebten.