Wie ist es, als Fußballer in die Fremde zu gehen? Darüber haben Matthieu Delpierre, Maurizio Gaudino und Krisztián Lisztes auf dem Karlsplatz diskutiert.
Einer stammt aus Wales, ein anderer aus Afrika, und Willy Orban spricht nicht einmal richtig Ungarisch. Dass mancher Spieler der ungarischen Auswahl vielleicht nicht ungarisch genug sein könnte, sei in seiner Heimat tatsächlich nie Thema gewesen. „Wir sind sehr stolz auf unsere Nationalmannschaft“, bekennt Krisztián Lisztes und ist etwas verwundert über die Diskussion, die in Deutschland jüngst geführt wurde. 21 Prozent der Befragten hatten in einer Umfrage erklärt, dass für ihren Geschmack zu wenig Biodeutsche in der Nationalmannschaft seien.
Drei ehemalige Fußball-Profis aus drei unterschiedlichen Ländern haben sich am Dienstagnachmittag zusammengefunden, um auf dem Podium am Stuttgarter Karlsplatz über „Migrationserfahrungen im europäischen Fußball zu diskutieren. „Ein Auswärtsspiel?“ ist die vom einstigen ZDF-Kommentator Béla Réthy moderierte Veranstaltung überschrieben. Dabei ist es für alle drei ein Heimspiel. Zu unterschiedlichen Zeiten kickten sie beim VfB. Maurizio Gaudino und Matthieu Delpierre wurden mit den Roten sogar Deutscher Meister, Lisztes schaffte das Kunststück erst bei seiner nächsten Station in Bremen.
Es geht um Leistung statt um Herkunft
Und im Grunde, da sind sich alle drei einig, ist das Thema Migration im Fußball eigentlich ein recht positiv besetztes. „Fußball verbindet und vereint“, findet Delpierre. „Es geht nicht um Herkunft, sondern um Leistung“, meint auch Lisztes. Als Profifußballer sei man allerdings auch privilegiert, da würden einem viele Türen geöffnet. Man müsse der anderen Kultur eben mit Respekt begegnen, sagt Gaudino, der nach seiner Stuttgarter Zeit noch in England, Mexiko und der Türkei kickte.
Als Sohn italienischer Einwanderer habe er in seiner Kindheit, die Gaudino in Mannheim verbrachte, keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Es gab nicht die direkte Ausländerfeindlichkeit wie heute“, sagt Gaudino. „Früher war man eher neugierig.“ Als er in den Kindergarten gekommen sei, habe er noch kein Deutsch gekonnt. Doch der Fußball habe ihm schon damals bei der Integration geholfen. „Über ihn habe ich schnell andere Kinder kennengelernt.“ Und weil er gut kicken konnte, gab es Anerkennung obendrauf.
Deutsch? Lern erst mal Englisch!
Lisztes konnte überhaupt kein Deutsch, als er als 21-Jähriger nach Stuttgart kam. Delpierres Schulkenntnisse waren allenfalls rudimentär. Die ersten sechs Monate seien sehr schwierig gewesen. „Alle haben probiert, es mir einfach zu machen. Und dann habe ich im ersten Spiel in Bremen gleich ein Tor gemacht“, sagt der 43-jährige ehemalige Verteidiger, der heute mit einer Stuttgarterin verheiratet ist und im VfB-Jugendbereich arbeitet. „Fußball ist eine internationale Sprache“, glaubt Lisztes. „Und wenn du zeigst, dass du dich verständigen willst, wird dir auch geholfen.“
Das hat er auch seinem Sohn erklärt. Der heißt genauso wie er und ist ein genauso guter Fußballer. Der 19-Jährige wechselt diesen Sommer von Ferencvaros Budapest zu Eintracht Frankfurt – ein Multikulti-Team mit zwölf verschiedenen Nationen. „Es wurde ihm gesagt, bevor er Deutsch lernt, soll er erst einmal sein Englisch verbessern.“
Einbürgerung aus Pragmatismus
Als Gaudino seine Karriere startete, durften in jeder Bundesligamannschaft nur zwei Ausländer spielen. Auch wegen dieser Beschränkung entschied er sich als 16-Jähriger, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen – ein nationales Bekenntnis aus eher pragmatischen Gründen. Nach einem U-16-Spiel gegen die DDR in Eisenhüttenstadt war klar, dass er nie mehr für Italien würde spielen dürfen.
Später bestritt er immerhin fünf Länderspiele für Deutschland und gehörte 1994 zum WM-Aufgebot. Die Italiener seien gerade zurecht ausgeschieden. Er fiebert mit den Deutschen. Was die eingangs zitierte Umfrage betrifft, sieht es Gaudino ähnlich wie der Bundestrainer Julian Nagelsmann: Man hätte sie gar nicht erst machen sollen. „Wir müssen lernen, mehr auf den Menschen zu sehen. Es ist traurig, dass wir zu sehr auf eine Minderheit hören.“