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Der "Mister VfB" feiert sein Dienstjubiläum. Seit 30 Jahren ist Finanzvorstand Ulrich Ruf ein Roter.

Stuttgart - Es kommt ja nicht oft vor, dass Männer in aller Öffentlichkeit weinen. Aber am Abend des 16. Mai 1992 gebot es allein schon die Vorsicht, sich dem Finanzchef des VfB Stuttgart nur im Schlauchboot zu nähern. Ulrich Ruf eilte in den Stuttgarter Flughafen und heulte wie ein Schlosshund. Im Anflug war der neue deutsche Meister, und die Gefühle hatten den Chef von der Geschäftsstelle komplett überwältigt. Der VfB ging mit den schlechtesten Karten in den letzten Spieltag der Saison - und kehrte aus Leverkusen mit der Meisterschale zurück. "Damit", sagt er heute und bekommt schon wieder feuchte Augen, "konnte damals doch kein Mensch rechnen." Er schon.

Die Meisterfeier verlief nach Plan. Und Ruf hatte alles Punkt für Punkt vorbereitet. So ist er eben. Zuverlässig wie der Glockenschlag der Stuttgarter Stiftskirche. Heute feiert der "Mister VfB" sein Dienstjubiläum. Seit 30 Jahren bürgt sein Name für den guten Ruf des Vereins. Am 1. April 1980 begann er als Assistent der Geschäftsleitung. Er stellte sich dem Vorstand vor, als der VfB Stuttgart im Pokal gegen Eintracht Frankfurt spielte.

"Man darf sich nicht erpressen lassen"

Der VfB lag 0:2 zurück, und die Gespräche liefen zäh. Am Ende gewannen die Roten 3:2, und Ruf war engagiert. "Wer weiß, was passiert wäre, wenn der VfB verloren hätte", sagt er und prustet los. Dabei waren die Zeiten nicht immer so fröhlich. Der Erfolg lässt sich vielleicht planen, erzwingen kann man ihn nicht. Und manchmal hat er gelitten wie Heinrich IV. beim Gang nach Canossa. Meistens dann, wenn er schlechte Ergebnisse, bescheidene Tabellenplätze und unerfüllte Träume umrechnete in Zahlen. Wenn Spieler und deren Berater, getrieben von unergründlichem Selbstbewusstsein, in sein Büro stürmten und Gehaltsforderungen stellten, mit denen man ganze Wirtschaftszweige hätte sanieren können.

Oder wenn Trainer Wunschlisten schrieben, die länger waren als die Klopapierrollen auf der Geschäftstelle. Aber Ulrich Ruf hat mit stoischer Ruhe und Hartnäckigkeit ein paar Zahlen aufs Papier gekritzelt, ein wenig hin und her gerechnet und dann den Kopf geschüttelt, dass er ihm fast vom Hals gefallen wäre. Dusan Bukovac, der windige Berater von Krassimir Balakov und Timo Hildebrand, hat das erfahren. Felix Magath ist an der Ruf'schen Mauer zerschellt, und neuerdings weiß auch Cacau, dass Wertschätzung auf Schwäbisch nicht drei Millionen heißt. "Man darf sich nicht erpressen lassen", sagt der VfB-Direktor für Finanzen und Verwaltung und reibt seinen kleinen Finger, als greife jemand nach der ganzen Hand.

Er bevorzugt den Libero

 Wenn es sein muss, wiederholt es der Herr der Zahlen öfter als der Muezzin vor dem Gebet. "Ich bin nicht bereit zu finanziellen Abenteuern", sagt Ulrich Ruf, und sein Wort ist Gesetz. Der Präsident, sagt man, hört auf den Uli mehr als auf seine Frau. Deshalb wird Erwin Staudt den erfahrensten Mann im roten Stall am Samstag vor dem Spiel gegen Gladbach in einer kleinen Feierstunde über den Schellenkönig loben. "Jedes Auto braucht eine Bremse", sagt Staudt mit erhobenem Zeigefinger. "sonst rauscht es mit Karacho gegen die Wand."

Ein paarmal in den vergangenen drei Jahrzehnten hatte das Blech schon bedenkliche Beulen, aber der gelernte Bankkaufmann hat den Totalschaden stets vermieden. Zuletzt vor zehn Jahren, als der Verein nach dem Abgang des großen Manitu Gerhard Mayer-Vorfelder so solvent war wie Schäuble und der Staatshaushalt.

Er bevorzugt den Libero

"Es gab schon auch Phasen, in denen ich am liebsten den Bettel hingeworfen hätte", sagt der Mann mit der barocken Figur. Er hat es nie getan. Auch deshalb, weil er durch die harte Schule des früheren Geschäftsführers Ulrich Schäfer ging, in der auch mal ein Locher an ihm vorüberflog, wenn ein Transfer nicht klappte. In denen er nächteweise Verträge ausarbeitete, die der Minister und VfB-Präsident zwischen 1 und 5 Uhr morgens noch kurz unterschreiben wollte.

"Der VfB ist eben nicht nur ein Job", sagt Ulrich Ruf, dessen erste Ehe über der Leidenschaft für den Verein in Scherben ging. Wegen der vielen Schreibtischarbeit zwicken die Bandscheiben, einen leichten Diabetes erklärt er mit der Nachtarbeit der früheren Jahre. "Da gehst du eben zum Kühlschrank, wenn du nach Hause kommst." Aber der VfB ist nun mal sein Leben, seine Leidenschaft. Aufhebens darum zu machen ist ihm fremd. Große Reden sollen andere halten. Er bevorzugt den Libero in einer Mannschaft, in der andere den Mittelstürmer spielen. Auch so zählt er zu den wertvollsten Neuzugängen, die der VfB je zu verzeichnen hatte.