Ein Vierteljahrhundert lang hat Ulrich König die Energiewende in Stuttgart vorangetrieben. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ulrich König hat das Energieberatungszentrum in Stuttgart 26 Jahre lang geleitet. Jetzt geht er zufrieden und unzufrieden in den Ruhestand. Und er hat ein Hintertürchen.

Es gibt wenige Menschen, die mit so viel Charme eigene Fehler zugeben können wie Ulrich König, der scheidende Geschäftsführer des Energieberatungszentrums Stuttgart. König ist ein Mensch, dem kein Zacken aus der Krone bricht, Sätze zu sagen wie diesen: „Da haben zwei geschlafen, und einer davon war ich.“

 

Gemünzt ist seine Aussage auf die jüngste Kritik am Energieberatungszentrum (EZB): Die Einrichtung sollte das günstigere serielle Bauen in Stuttgart vorantreiben und bekam vom Gemeinderat eine Stelle dafür bewilligt – doch König hat das Geld nicht abgerufen. Die Stuttgarter Verwaltung hätte ihm noch einen Verwendungsnachweis schicken müssen, sagt König, habe dies aber vergessen – und er selbst habe vergessen nachzuhaken. Kurzum: „Die Kritik an mir war berechtigt.“

Dieser Charme, diese Ehrlichkeit und diese Anständigkeit haben Ulrich König immer ausgezeichnet. Zusammen mit seinem immensen Wissen haben sie ihn zum Mister Energiewende in Stuttgart gemacht und auch den Ruf des EBZ begründet, die erste Anlaufstelle zu sein für alle Bürger, die ihr Haus dämmen lassen wollen oder eine neue Heizung benötigen. Rund 2000 Beratungen führt das derzeit zwölfköpfige Team um König jährlich durch. „Unsere Stärke ist, dass wir den Menschen beim ersten Gespräch nicht gleich Geld aus dem Kreuz leiern“, sagt Ulrich König.

An diesem Donnerstag wird nun sein letzter Arbeitstag sein – nach 26 Jahren. Er geht mit einer gewissen Unzufriedenheit, weil er bei vielen Zielen nicht so vorangekommen ist, wie er es sich gewünscht hätte. Damit Stuttgart wie geplant bis 2035 klimaneutral sein wird, müsste etwa die jährliche Sanierungsquote bei fast fünf Prozent liegen – in Wirklichkeit ist es gerade ein Prozent.

Etagen-Wärmepumpen werden dringend gebraucht

Auch beim Heizungstausch stottert es kräftig. Ein großes Problem vor allem in der dicht bebauten Innenstadt ist, dass es für viele Wohnungsbesitzer kaum passende Angebote gibt. Wo keine Wärmenetze geplant sind und wo herkömmliche Wärmepumpen etwa aus Lärmgründen nicht gehen, fehlt eine klimafreundliche Lösung. Kleine und günstige Etagen-Wärmepumpen wären das Nonplusultra, sagt Ulrich König.

Es gibt sie zwar schon, und das EBZ testet gerade welche. Aber für kleinere Wohnungen unter 120 Quadratmetern benötige man immer noch einen Verdampfer, der auf dem Balkon installiert werden müsse. Das ist nicht gerade ideal. Doch diese Geräte würden kommen, und auch normale Wärmepumpen würden billiger.

Beim Klimaschutz kann der sonst so bodenständige König jedenfalls richtig pathetisch werden. Das sei die wichtigste Aufgabe der Menschheit, sagt er. Mittlerweile halte er es deshalb für richtig, viel stärker über den Geldbeutel zu steuern: „Fossile Energien müssen so teuer und erneuerbare Energien so billig werden, dass keiner mehr über eine Gasheizung nachdenkt.“

Ulrich König (rechts) im Jahr 2013 auf einer Baustelle Foto: Michael Steinert

Aber trotz aller politischer Kalamitäten etwa beim Heizungsgesetz haben König, seine Kolleginnen und Kollegen und der Verein, der hinter dem EBZ steht, viel erreicht. Als das EBZ 1999 als landesweit zweite Beratungsstelle dieser Art gegründet und er zum ersten und bisher einzigen Geschäftsführer bestellt worden war, bestand die Einrichtung aus ihm allein und einem baufälligen Büro, in dem es weder eine funktionierende Toilette noch einen Schreibtisch gab. Heute ist das EBZ noch immer im gleichen Gebäude im Stuttgarter Westen untergebracht, nimmt aber mittlerweile drei ganze Etagen ein.

Und die Expertise des Teams kann sich sehen lassen. Gerade die alten Hasen wie Ulrich König kennen die Tücken einer Sanierung und können Bauherren vor manchen Fehlern bewahren. Und sie kennen auch die Fallstricke in Angeboten: „Der Handwerker, der uns über den Tisch zieht, ist noch nicht geboren“, sagt König selbstbewusst. Der Maschinenbauingenieur, der zuvor beim Daimler und beim Landesgewerbeamt gearbeitet hatte, sieht sich selbst als Praktiker.

Und so geht der 65-Jährige doch auch sehr zufrieden in den Ruhestand. Die Weichen für eine gute Zukunft des EBZ und vielleicht auch für mehr Klimaschutz in Stuttgart seien gestellt. Zum einen soll sich das Personal der Einrichtung in den nächsten beiden Jahren mehr als verdoppeln, sodass künftig bis zu 5000 Beratungen im Jahr möglich wären. „Unsere Aufgabe ist es, diese Nachfrage auch zu generieren“, sagt König, etwa durch noch mehr Veranstaltungen in den Stadtteilen.

Zum anderen will das EBZ künftig den Haus- und Wohnungsbesitzern eine Begleitung aus einer Hand anbieten: von der ersten Beratung über das Erstellen eines Konzepts und die Einholung von Angeboten bis hin zur Finanzierung und zur Umsetzung. Das Haus sei also bestellt, zumal Joshua Nothdurft als Königs Nachfolger schon seit drei Monaten im Energieberatungszentrum mitarbeitet.

Mit Zufriedenheit tritt Ulrich König auch in die nächste Lebensphase, weil er sich jetzt richtig auf viel Freizeit freut. Zunächst wolle er mal ein paar Kilo abnehmen, erläutert er augenzwinkernd, dann sein Privathaus innen sanieren. Als passionierter Wanderer will er aber auch viel durch die Berge stromern, vor allem im Allgäu, und als Teil einer zusammen grau gewordenen Motorradgang will er viel Zeit auf irgendwelchen Gebirgspässen verbringen. Zudem ist er in diesen Tagen zum ersten Mal Opa geworden: „Das passt jetzt alles schon sehr gut“, sagt er. Zumal seine Frau Gerlinde, die ebenfalls fast von Anfang an beim EBZ gearbeitet hat, nun mit ihm aufhört.

Vielleicht kommt Ulrich König zurück, um Fortbildungen zu leiten

Eine kleine Hintertür aber hält sich König noch offen. Nach einer ersten Auszeit kann er sich durchaus vorstellen, beim EBZ wieder etwas mitzumischen. Er würde etwa gerne die jüngeren Energieberater fortbilden, die oft viel theoretisches Wissen mitbringen, aber wenig Praxis auf der Baustelle besitzen. Man werde sehen, ob es klappt, äußert er sich eher vage.

Ulrich Königs letztgültiges Fazit ist dagegen mehr als eindeutig. „Ich gehe frohgemut“, meint er bestimmt. Wohl dem, der das von sich sagen kann.