Detlev Zander hat den Missbrauch in Heimen der Brüdergemeinde vor vier Jahren öffentlich gemacht. Foto: dpa

Vier Jahre nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Heimen der Brüdergemeinde in Korntal und Wilhelmsdorf ist nun der offzielle Aufklärungsbericht veröffentlicht worden – mit teils schockierenden Ergebnissen.

Korntal-Münchingen - Schwerster sexueller Missbrauch, Vergewaltigungen, Schläge, Drohungen, Kinder, die ihr eigenes Erbrochenes essen mussten – die pietistische Brüdergemeinde in Korntal hat an diesem Donnerstag den lange erwarteten offiziellen Aufklärungsbericht zum Missbrauchsskandal in den drei Kinderheimen der diakonischen Einrichtung in Korntal und Wilhemsdorf vorgelegt. Mit teils schockierenden Ergebnissen.

408 Seiten umfasst das von den Aufklärern, der ehemaligen Richterin Brigitte Baums-Stammberger und dem Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger, angefertigte Werk. Die Kernaussage: „Die Erziehungskultur und deren Praktiken waren bis in die 1970er Jahre systematisch mit körperlicher und psychischer Gewalt verbunden.“ Die Kinder seien dem autoritären, mit Zucht, Zwang und Drill verbundenen Erziehungsstil rechtlos ausgeliefert gewesen.

Sexueller Missbrauch sei „systematisch möglich“ gewesen

81 Täter konnten identifiziert werden: Erzieherinnen, Heimleiter, Ärzte, Hausmeister, aber auch Bäcker oder Stallknechte. Auch zahlreiche Fälle von sexueller Gewalt wurden dokumentiert, die von verbaler Belästigung bis hin zu Vergewaltigungen reichen. Die Erkenntnisse fußen auf Akten und Interviews, die Baums-Stammberger mit insgesamt 105 ehemaligen Heimkindern geführt hat.

Der sexuelle Missbrauch der Heimzöglinge sei in den drei Heimen „systematisch möglich“ gewesen und begünstigt worden, weil Schutz- und Präventionskonzepte fehlten. Hinweise auf ein Netzwerk von Tätern, die systematisch Kinder missbrauchten, haben sich keine ergeben. Vielmehr habe es sich um eine Vielzahl von Einzeltätern gehandelt, die die Situation und das „Klima der Gewalt“ für ihre pädophilen und teils sadistischen Neigungen ausgenutzt hätten. Klaus Andersen, der weltliche Vorsteher der Gemeinde, nutzte die Vorstellung des Berichts, bei der auch mehrere Opfer teilnahmen, zu einer Entschuldigung. „Das Verhalten damals war falsch und entspricht nicht unserem christlichen Verständnis“, sagte er. „Wir bitten ehrlich und von Herzen um Entschuldigung.“

Die Fälle sind verjährt

Strafrechtlich sind die untersuchten Fälle verjährt, der Großteil der Taten ereignete sich zwischen 1949 bis Ende der 1980er Jahre. Detlev Zander, ein ehemaliges Heimkind, hatte den Missbrauchsskandal 2014 publik gemacht.