Die Vorfälle in den Kinderheimen der Brüdergemeinde sollen aufgearbeitet werden. Foto: dpa

Detlev Zander hat im Aufarbeitungsprozess die Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlerin Mechthild Wolff für beendet erklärt. Wie es weiter geht, ist offen.

Korntal-Münchingen - Immer wieder war der Start verschoben worden, am 1. März soll im Rahmen der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in den Korntaler Kinderheimen eine telefonische Meldestelle geschaltet werden. Dies teilt die Wissenschaftlerin Mechthild Wolff mit. Unter der kostenlosen Nummer 08 00/ 3 76 32 50 können sich betroffene ehemalige Heimkinder aus den Einrichtungen der evangelischen Brüdergemeinde sowie deren Angehörige melden.

Die Meldestelle wurde eingerichtet, um Ausmaß und Art des Unrechts zu erfassen. Betroffene können zudem im Rahmen des Datenschutzes zu einem ausführlichen wissenschaftlichen Interview einwilligen oder aber Einsicht in ihre Akten gewähren. Die Meldestelle ist an die Hochschule Landshut angegliedert, wo Wolff lehrt. Die unabhängige telefonische Meldestelle ist montags von 14 bis 18 Uhr, mittwochs 17 bis 21 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr besetzt.

„Aufarbeitung ist gescheitert“

Detlev Zander, selbst ein ehemaliges Heimkind, hatte die Fälle von sexueller, physischer und psychischer Gewalt öffentlich gemacht. Er und seine Mitstreiter des „Betroffenenforums“ haben derweil die Zusammenarbeit mit der Landshuter Erziehungswissenschaftlerin Wolff einseitig aufgekündigt. Damit, so Zander, sei „zugleich der Versuch der Aufarbeitung der Vorkommnisse in Einrichtungen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal unter der Leitung von Frau Wolff gescheitert“.

Als Gründe für diesen Schritt führt Zander mehrere Argumente auf, die in massive Vorwürfe gegenüber Wolff und den Vertretern der Brüdergemeinde münden. So wirft er der Wissenschaftlerin und der Brüdergemeinde unter anderem vor, den Opfern in der paritätisch mit Vertretern der Betroffenen und der Brüdergemeinde besetzten Steuerungsgruppe nur zum Schein ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht eingeräumt zu haben. „Tatsächlich wurde jedoch keine einzige Entscheidung zur Abstimmung gebracht beziehungsweise von den Opfern mitgetragen.“ Die Steuerungsgruppe hatte ein Konzept für die Aufarbeitung erarbeitet.

Wolff nahm Zanders Mitteilung mit Bedauern zu Kenntnis, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich die Betroffenen dennoch telefonisch melden würden. Die Aufarbeitung sei weiterhin notwendig, „weil wir es den Betroffenen schuldig sind. Wie es weitergeht, müssen wir gemeinsam überlegen.“ Zanders Kritiker, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Heimopfer Korntal zusammengeschlossen haben, wollten das Vorgehen nicht kommentieren.

Brüdergemeinde reagiert mit Verwunderung

Mit „großer Verwunderung“ hat die Brüdergemeinde auf die Mitteilung Zanders reagiert. Sie distanziert sich von den „persönlichen Anfeindungen“ gegen Mechthild Wolff und sie selbst. Die Aufarbeitung sei nicht gescheitert, vielmehr habe jetzt die konkrete Umsetzung dessen begonnen, was unter Mitwirkung der Betroffenen erarbeitet worden sei.

Der Vorsteher Klaus Andersen appellierte an die ehemaligen Heimkinder, „den sachlichen Austausch zu suchen und sich konstruktiv einzubringen“. Weiterhin offen ist, ob der Regensburger Anwalt Ulrich Weber in Korntal aktiv wird. Gleichwohl sei er grundsätzlich bereit, „als vorbehaltsloser Ansprechpartner für die Betroffenen im Rahmen einer neutralen Aufarbeitung zur Verfügung zu stehen“.