Dem Lebensgefährten der Mutter des missbrauchten Kindes werden die Handschellen abgenommen. Foto: dpa

Der Missbrauchsbeauftragte des Bundes hat die Landesregierung Baden-Württemberg wegen der Aufarbeitung im Fall Staufen im Visier. Er dürfe nicht als regionaler Einzelfall betrachtet werden.

Stuttgart - Der Fall Staufen erhält zunehmend eine politische Dimension. Der Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat am Dienstag in einer Stellungnahme sowohl an das Land Baden-Württemberg als auch an den Bund kritische Fragen gerichtet und deutliche Forderungen erhoben.

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Rörig verlangte eine „umfassende Aufarbeitung der gerichtlichen und behördlichen Versäumnisse“. „Der Fall darf nicht als regionaler Einzelfall betrachtet werden. Es gab offensichtlich strukturelle Probleme im Zusammenspiel von Gerichten und Behörden im Kampf um das Kindeswohl.“ Sie müssten untersucht und aufgearbeitet werden. Man sei es dem Kind schuldig, jetzt Konsequenzen zu ziehen. Rörig: „Das betrifft das Land Baden-Württemberg, alle anderen Länder und auch die Bundesjustizministerin.“

Eine Arbeitsgruppe in Baden-Württemberg prüft Konsequenzen

Bekanntlich soll ein Bericht einer Arbeitsgruppe aus Richtern des Oberlandesgerichtes Karlsruhe, des Amtsgerichts Freiburg sowie Mitarbeitern des Jugendamtes Breisgau-Hochschwarzwald in einer interministeriellen Arbeitsgruppe bis September diskutiert werden, dann sollen daraus Schlüsse gezogen werden.

Rörig gibt dem Gremium in seinem Statement nun einige Fragen vor. Es sei notwendig, dass die Landesregierung in Stuttgart alles daran setze, „den Fall Staufen vollständig auszuleuchten“: „Warum wurden Mitteilungspflichten verletzt? Warum alarmierten die Verstöße gegen die Bewährungsauflagen nicht die richtigen Stellen? Warum wurde das Kind nicht angehört und kein Verfahrensbeistand bestellt?“

Die Fortbildung der Familienrichter soll besser werden

Auch bei der Qualifizierung der Familienrichter sieht der Missbrauchsbeauftragte Handlungsbedarf. Er hoffe sehr, so Rörig, „dass von den Ländern zügig gesetzliche Regelungen zur familienrichterlichen Fortbildungspflicht verabschiedet werden“.

Auch in diesem Punkt appellierte Rörig an die grün-schwarze Landesregierung: „Ich würde es begrüßen, wenn Baden-Württemberg den Fall Staufen zum Anlass nehmen würde, eine Bundesratsinitiative zu Richterfortbildung und zu den Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter auf den Weg zu bringen.“ An den Bund appelliert Rörig mehr qualifiziertes Personal für Jugendämter, Polizei und Justiz zu ermöglichen.