Das Internat Salem gehört zu den Eliteschulen des Landes. Foto: AP

Auch im Kloster Bad Mergentheim und im Internat Salem soll es Missbrauch gegeben haben.

Bad Mergentheim/Salem - Auch in Baden-Württemberg wächst die Zahl der Hinweise auf sexuellen Missbrauch von Kindern in Schulen. Am Dienstag wurde ein Fall aus dem Kloster in Bad Mergentheim bekannt. Auch an der privaten Internatsschule Schloss Salem hat es nach Angaben ihres früheren Leiters Bernhard Bueb solche Übergriffe gegeben. In Bad Mergentheim soll Anfang der 70er Jahre ein heute knapp 80 Jahre alter Pater mindestens einen Schüler in dem Kapuzinerkloster im Main-Tauber-Kreis missbraucht haben. Das Opfer habe sich erst in den vergangenen Tagen gemeldet. Nach Angaben der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart ermittelt in diesem Fall die Staatsanwaltschaft Berlin. Man habe die Staatsanwaltschaft zur Prüfung des Falls eingeschaltet, bestätigte ein Sprecher der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz am Dienstag in Münster.

Der Beschuldigte sei erst vor zwei Jahren wieder zurück nach Bad Mergentheim versetzt worden, hieß es. Da es "Auffälligkeiten" gab, sei er seit Jahren von allen seelsorgerischen Diensten entbunden gewesen. Kontakt zu Kindern und Jugendlichen sei ihm strengstens untersagt. Auch darf er nur nach vorheriger Abmeldung beim Hausoberen das Kloster verlassen. "Hätte man vor zwei Jahren von den nun bekanntgewordenen Vorwürfen aus den 70er Jahren in Bad Mergentheim gewusst, hätte man den Pater nicht an diesen Ort versetzt", hieß es in einer Pressemitteilung.

Der 71-jährige Bueb, der 2006 mit seiner Streitschrift "Lob der Disziplin" Schlagzeilen und eine breite Erziehungsdebatte ausgelöst hat, sagte am Dienstag im Südwestrundfunk (SWR) zur Situation in Salem: "Es gab Situationen, wo Schüler sich an mich wandten oder an andere Mitarbeiter und erklärten, sie seien belästigt worden." Die verantwortlichen Lehrer seien darauf sofort entlassen worden, sagte Bueb, der von 1974 bis 2005 an der Spitze des privaten Elite-Internats am Bodensee stand. Er habe unmittelbar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Bueb: "Vergleichsweise harmlos"

Die Fälle seien im Vergleich zu den Vorfällen an der privaten südhessischen Odenwaldschule "vergleichsweise harmlos" gewesen, betonte Bueb. Dort haben bisher 33 ehemalige Schüler Übergriffe aus den Jahren 1966 bis 1991 gemeldet. Bueb war von 1972 bis 1974 Lehrer und Erzieher an der Odenwaldschule. Hinsichtlich der Missbrauchsfälle dort räumte er persönliche Versäumnisse ein: Nachdem 1999 die Vorwürfe gegen den früheren Schulleiter Gerold Becker (73) bekannt wurden, habe er "trotz weiterer Kontakte" Becker nicht auf die Vorfälle angesprochen. Er befürchtete, dass nun die gesamten Ideen der Reformpädagogik in Verruf geraten könnten.

Zuvor waren bereits Missbrauchsfälle vom katholischen Internat St. Blasien im Schwarzwald, von der evangelischen Internatsschule Schloss Gaienhofen am Bodensee, den Zinzendorfschulen in Königsfeld (Schwarzwald-Baar-Kreis) oder dem ehemaligen Kinderheim der Stiftung Piuspflege im oberschwäbischen Attenweiler (Kreis Biberach) bekanntgeworden.

Die katholische Diözese Rottenburg-Stuttgart will sich an diesem Donnerstag zu Einzelheiten äußern. Bischof Gebhard Fürst versprach, alle Fälle würden rückhaltlos aufgeklärt und die Täter bestraft.

Bundesweit hat der Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen nach Einschätzung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) "zur größten Kirchenkrise seit 1945" geführt. Am 30. März will die katholische Kirche eine Info-Hotline für Opfer von sexuellem Missbrauch freischalten. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg will eine Missbrauchskommission einsetzen.