Die katholische Kirche gerät imer stärker ins Zwielicht. Foto: dpa

Dass die katholische Kirche den Missbrauchsskandal in ihren eigenen Reihen aufarbeitet, ist gut, befindet Michael Trauthig. Die Entschlossenheit aber könnte größer sein.

Frankfurt - Das Erschrecken über das Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche, der durch eine neue Studie dokumentiert wird, ist verständlich. Denn jeder Fall, in dem Kindern so Gewalt angetan wird, ist einer zu viel. Es gibt aber leider kaum einen Bereich, in dem Kinder ganz sicher sind. 300 000 Fälle pro Jahr soll es nach Schätzungen in Deutschland geben. Diese Zahl ordnet die aktenkundigen 3677 Opfer von Priestern, Ordensmännern oder Diakonen in den letzten rund 70 Jahren ein. Sie sind Teil einer bedrückenden gesellschaftlichen Realität.

Die Kirche immerhin setzt sich mit dieser dunklen Seite ihrer Geschichte und Gegenwart auseinander. Sie zieht auch Konsequenzen, stärkt die Prävention, geht härter gegen Täter vor, klärt die Vergangenheit auf und handelt teilweise vorbildlich. Welche andere Großorganisation hat schon eine so umfassende Untersuchung zu dem Thema initiiert wie die katholische Kirche? Gleichwohl fehlt es ihr an Entschlossenheit. Bei der jüngsten Studie hatten die unabhängigen Experten keinen direkten Zugriff auf die Akten. Das nährt den Verdacht der Manipulation. Zudem hat sich an den Strukturen der von zölibatär lebenden Männern gelenkten Kirche wenig geändert. Dabei liegt nahe, dass die traditionellen Verhältnisse Missbrauch und dessen Vertuschung begünstigen.