Freiburger Richter müssen sich wohl wieder mit Missbrauch in Staufen befassen. Foto: dpa

Ein weiterer Ex-Betreuer der Pfadfinder in Staufen steht im Verdacht, sexuell übergriffig geworden zu sein.

Staufen - Schon wieder sexueller Missbrauch von Kindern in Staufen. „Die Stadt kann nichts dafür“, betont Peter Egetemaier, es sei ein ganz anderer Fall. Dem Chef der Freiburger Kriminalpolizei ist es dennoch fast peinlich, nur zehn Monate nach der Verurteilung eines Paares, das den kleinen Sohn der Frau über Jahre missbraucht und Pädophilen im Darknet zum Sex angeboten hat, erneut zwei mutmaßliche Kinderschänder aus dem Städtchen 20 Kilometer südlich von Freiburg präsentieren zu müssen.

Zusammen mit dem Leiter der Freiburger Staatsanwaltschaft und der ermittelnden Staatsanwältin Nikola Nowak, die bereits die Schuldigen des ersten Staufener Missbrauchskandals angeklagt hatte, präzisierte die Polizei am Dienstag, was zuvor teilweise durchgesickert war: Nachdem die Mutter eines jetzt 17 Jahre alten Jungen am 18. Februar in Staufen Anzeige erstattet hatte, nahm die Freiburger Kripo vier Tage später einen 41-jährigen Mann fest. Er steht unter dem Verdacht, vier Buben im Alter von acht bis 14 Jahren zum Teil schwer sexuell missbraucht zu haben.

Gibt es weitere Opfer?

Zwei der Jungs hatte der nicht verheiratete und nicht vorbestrafte Tatverdächtige in den Jahren 2009 bis 2013 als Betreuer beim evangelischen Pfadfinderstamm Lazarus von Schwendi kennengelernt, die beiden anderen zwischen 2014 und 2018 „im Freizeitbereich“. Was genau damit gemeint ist, sagte die Polizei nicht, jedenfalls war der Verdächtige in dieser Zeit nicht mehr bei den Pfadfindern. Insgesamt soll es sich um mehr als 400 Übergriffe handeln. Dass noch weitere Opfer hinzukommen, ist nach den Andeutungen der Ermittler durchaus möglich.

Bisher sei mit 100 Jugendlichen und Erwachsenen gesprochen worden, berichtete Mathias Kaiser, der Leiter der zwölfköpfigen Ermittlungsgruppe Burg. Die Opfer seien zum Teil nachhaltig traumatisiert, und bei den Gesprächen sei Fingerspitzengefühl nötig. „Wir haben versucht, ihnen eine Brücke zu bauen, über die sie gehen können“. Aber offenbar waren nicht alle dazu bereit. Noch nicht.

Vertrauen der Kinder ausgenutzt

Denn der mutmaßliche Täter habe sehr raffiniert manipuliert, habe ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut und den Kindern suggeriert, dass die sexuellen Handlungen mit ihnen „völlig normal“ seien. Es sei wöchentlich zu mehreren Übergriffen gekommen, wohl sämtlich in geschlossenen Räumen, erklärte Kaiser. Es gebe keine Fotos und Hinweise auf Mittäter.

Allerdings ist im Zuge der Ermittlungen nun noch ein 27-jähriger Verdächtiger ausgemacht worden, ebenfalls ein früherer Betreuer der Lazarus-Pfadfinder. Ihm wird vorgeworfen, eine Dreizehnjährige missbraucht zu haben. Der Beschuldigte ist auf freiem Fuß, weil kein Haftgrund vorliege. Beide mutmaßlichen Täter haben noch keine Aussagen gemacht.

Verdächtiger nicht das erste Mal im Visier der Justiz

Das Jugendamt des Landkreises und andere staatliche Stellen waren bei den jetzt bekannten Vorfällen in Staufen in keiner Weise involviert, betonte die Polizei. Aufsehen erregt aber, dass der in Untersuchungshaft sitzende Pfadfinderbetreuer bereits 2004 wegen eines Missbrauchsverdachts vor Gericht stand. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe beantragt. In der Berufung wurde der Angeklagte im Jahr 2007 aber frei gesprochen: „Es stand Aussage gegen Aussage“, so Staatsanwältin Nikola Nowak.

Die Kirchengemeinde Staufen wusste von dem Prozess gegen den Mann, der früher bei ihr Zivildienstleistender war. Nach dem Freispruch durfte er ab 2010 Pfadfinder betreuen und war längere Zeit auch als Hausmeister in der evangelischen Kirche beschäftigt. Die evangelische Landeskirche will jetzt die genauen Umstände seiner Beschäftigung in Staufen klären.

Pfadfinder

Grundgedanke Pfadfinder verstehen sich als weltweite Bewegung, die Menschen jeder Religion und jeder Nationalität offensteht. Das Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zum gesellschaftlichen Mitwirken zu animieren.

Organisation In Deutschland gibt es mehrere christliche Pfadfinderverbände sowie den Bund Moslemischer Pfadfinder. Sie sind im Ring Deutscher Pfadfinderverbände organisiert. Dieser vertritt nach eigenen Angaben rund 220 000 Mitglieder.