Shooting mit Windhilde: Miss Berlin Yuliya Garkusha zwischen kanarischen Kakteen Foto: Michael Werner

In Kürze wird in Rust die neue Miss Germany gewählt. Jetzt haben die 22 Kandidatinnen im Ferienclub auf Fuerteventura für die Show trainiert.

Playa de Esquinzo - Auch wenn sich eine Botschaft im echten Leben unzählige Male als falsch erwiesen hat, taugt sie nach wie vor für den Ferienclub: „Ihr seid – na ja – keiner ist Verlierer“, ruft der Animateur im grellgelben Sonnenschein-T-Shirt, „alle sind Gewinner, weil ihr seid alle bei Miss Germany!“

Die 22 jungen Frauen, die soeben Beachvolleyball (mit Wasserbomben statt Volleybällen und mit Handtüchern statt Händen) gespielt haben, küren zwar Spaßsport-Siegerinnen, aber sie jubeln füreinander. Sie bereiten sich auf der Kanareninsel Fuerteventura eine gute Woche lang auf das Miss-Germany-Finale Ende Februar in Rust vor: Im Tui Magic Life Club absolvieren sie Catwalk-, Social-Media-, Schmink- und Benimmtraining. Und sie tragen Plastikbecher mittels halb aufgeblasener Luftballons im Mund rennend über einen Tennisplatz. Auch dafür gibt’s im Beauty-Camp Medaillen.

Denn dass wahre Schönheit von innen komme, wie hier fast alle Kandidatinnen einhellig beteuern, ist das eine. Das andere formuliert Lars Riedel, anno 1996 Olympiasieger im Diskuswurf, schonungslos trocken: „Gefestigt sein heißt auch, dass der Rumpf stabil ist!“

Beim Training muss es brennen

Zu diesem Zweck hat er 22 Turnmatten auf das Sonnendeck des Ferienclubs bringen lassen und flaniert nun fachmännisch zwischen Schönheitsköniginnen, deren optische Perfektion auch beim seitlichen Liegestütz nicht leidet. „Das muss brennen!“, ruft Riedel. Und während die Februarsonne sich diesbezüglich noch galant zurückhält, brennen bald die Oberarm- und dann auch die Bauchmuskeln, zumindest die der zusehenden Clubgäste, die der Marketingmitarbeiterin des Tui Magic Life Clubs zufolge vom Aufenthalt der Miss-Germany-Kandidatinnen einen „Mehrwert“ beschert bekommen.

Aber nicht alle sehen den immer: Als eines schönen Abends die Missen am Eingang des Clubrestaurants Magico weiß gewandet für die Touristen Spalier stehen, fragt ein Vertreter der Miss Germany Corporation einen Rentner: „You want a picture with them?“

Der Rentner antwortet: „Nö.“ Und geht.

Leute, die im Spanien-Urlaub um 18.05 Uhr essen gehen, geraten nicht so schnell in Verzückung.

„Das Auge isst immer mit“

Dafür flippen Elke und Gundi nach der abendlichen Talentshow der Missen im Clubtheater fast aus vor Begeisterung. Die beiden Freundinnen aus dem Badischen wirken jugendlich beschwingt, obwohl sie bereits auf der Zielgeraden ihres Erwerbslebens angekommen sind. Nachdem Miss Norddeutschland Noelle Sachse (16) eine hinreißend altkluge Version von Bob Dylans „Make You Feel My Love“ gesungen hat und nachdem Miss Hessen Derya Sipahi (25) aus einem misslungenen Zaubertrick eine souveräne Punkshow extrahiert hat, überwinden Elke und Gundi jede Generationengrenze spielend. Sie posieren euphorisiert für Handyfotos mit Miss-Germany-Kandidatinnen, die ganz schön schlaue Sachen sagen können, was das Verhältnis von äußerer und innerer Schönheit, von Club und Leben, betrifft: „Man kann Schönheit nicht pauschalisieren“, sagt Charlotte Grenzner alias Miss Photogenic, „das Auge isst immer mit. Aber natürlich muss das Gegessene auch verdaut werden.“

Manche Urlauber am Büfett des All-inclusive-Restaurants haben diesbezüglich offenbar andere Vorstellungen. Die Missen hingegen sind dünn, logisch. Sie achten auf ausreichend Bewegung. Als Miss Sachsen-Anhalt Lucie Bringmann während der Probe für die abendliche Talentshow im Animateurs-Stil zu einer Techno-Version von John Denvers „Country Roads“ tanzt, entfährt es dem Moderator gar: „Sieht aus wie ein Duracell-Häschen auf Ecstasy!“

Ansonsten ist der Umgangston freundlich im Beauty-Camp. Anahita Rehbein zum Beispiel, Miss Baden-Württemberg, bewundert die „strahlenden Augen“ ihrer Konkurrentin Ioanna Palamarcuk aus Niedersachsen. Aber auch ihrer Zimmernachbarin Tamar Morali, die als Miss Internet firmiert, würde die Pädagogikstudentin die Miss-Germany-Krone „von Herzen gönnen“. Und unten am Pool kriegt sich der Fotograf Maik Rietentidt vor Begeisterung kaum ein, als Miss Ostdeutschland Elena Kamperi mit geübtem Waidwunde-Löwin-Blick auf dem eigens aufgeschütteten Sandhaufen krabbelt, während noch tiefer am Strand die Jogger Atemschutz tragen, des windbedingten Sandfluges wegen. „Du machst das toll“, ruft der Fotokünstler mit dem durchsichtigen Hemd und dem 3000-Euro-Tagessatz, der später verrät, dass er oft auch nach dem perfekten Bild noch weiterfotografiere, weil die Frauen das so genössen.

Nach der Miss Ostdeutschland krabbeln, kriechen und robben andere Frauen durch den Sandhaufen, meistens so lasziv wie möglich. Zur Abwechslung schickt Maik Rietentidt seine Modelle gerne auch zwecks Wetlook unter die Dusche oder gleich in den Pool.

Apelle wider den Ellbogen

„Ihr könnt alle die Regisseure von eurem eigenen Leben sein!“, frohlockt hingegen Riccardo Simonetti, der in Lifestylekreisen Influencer genannt wird. Täglich postet er 350 bis 400 Videos mit sich in der Hauptrolle, und im Beauty-Camp unterrichtet er die Missen in puncto Instagram. Sein Credo: niemals pausieren.

Da wirkt der Tipp des Fotografen Peter Newels während seines Facebook-Kurses am Vortag nachgerade putzig: „Charity ist gut, weil man dann sehen kann: Das ist nicht nur Geschäft, sondern da steckt Herz dahinter.“ Facebook, sagt später der Influencer, sei eher was für die Älteren.

Für alle hingegen gelte: „Man muss seine Leinwand gut vorbereiten, damit man gut malen kann!“ Das sagt Mi, die Chef-Make-up-Artistin des Beauty-Camps, während ihres Schminkkurses. Die Gesichtsgrundierung per Primer werde nämlich regelmäßig vor dem Auftragen weiterer Kosmetikschichten sträflich vernachlässigt. Und beim Benimmkurs an der festlich gedeckten Tafel mahnt Ines Klemmer, Miss Germany von 1991 und heute Gattin von Ralf Klemmer, dem Junior-Chef der Miss Germany Corporation: „Der Ellbogen hat auf dem Tisch nichts verloren!“

Schwäbisch legt man nicht so schnell ab

Beruhigend und erfrischend zugleich wirkt angesichts des strengen Regel-Stundenplans, dass sich die Natürlichkeit der jungen Frauen nicht kampflos ergibt: Miss Mitteldeutschland Theresia Weidemann zum Beispiel erzählt nach ihrer Singprobe ganz unbekümmert, dass sie noch nie vor Publikum gesungen habe, nicht mal vor ihren Eltern. Und zum Miss-Germany-Finale in Rust fahre sie unter anderem deshalb, „weil ich den Knopf nicht gefunden habe, mit dem ich meine Bewerbung wieder löschen kann“.

Und als der Miss-Germany-Chef Ralf Klemmer den Einsatzplan für den nächsten Tag verkündet, fragt Anahita Rehbein, Miss Baden-Württemberg und wie Theresia Weidemann eine der Topfavoritinnen für die Deutschland-Krone, in breitestem Schwäbisch, ob der „Reschd“ des Programms so bleibe wie geplant. Sofort eilt Klemmer zu ihr: „Der Resssst!“

Doch so sehr sein S auch züngeln mag – beim Catwalk-Training zählen andere Werte. „Was ist das Wichtigste beim Catwalk?“, fragt die amtierende Miss Germany Soraya Kohlmann ihre potenziellen Nachfolgerinnen, als auf dem Sonnendeck dann endlich die Sonne scheint. „Immer lächeln!“, ruft eine. Dann wird federnd stolziert. Und manchmal streng gelobt: „Sehr schön gelächelt!“