Die Pandemie hat Bremsspuren hinterlassen, wie sie nach zehn Rekordjahren im Städtetourismus nie für möglich gehalten worden waren. Touristik-Chef Armin Dellnitz will nun werben „wie noch nie“.
Stuttgart - Die Pandemie hat den Touristikern und Hoteliers 2020 einen Tiefschlag versetzt. Luft können sie auch 2021 noch nicht holen, die Talfahrt setzt sich ungebremst fort. Nach zehn Jahren kontinuierlichen Anstiegs sein man „an immer neue Rekorde gewöhnt gewesen“, sagte Stuttgarts Tourismus-Chef Armin Dellnitz am Freitag vor dem Wirtschaftsausschuss des Gemeinderates. Bis zum nächsten Rekord werde es etliche Jahre dauern. Der Markt sei „geprägt von tiefster Unsicherheit“.
2019 wurden in der Landeshauptstadt rund 4,1 Millionen Übernachtungen gezählt. 2020 waren es 1,65 Millionen. „In diesem Jahr haben wir eine viele größere Dramatik“, sagte Dellnitz und unterlegte den Befund mit Zahlen. Von Januar bis April 2019 wurden in der Landeshauptstadt 1,25 Millionen Übernachtungen notiert, 2020 waren es 733 854, immerhin noch 59 Prozent vom Rekordwert. In diesem Jahr blieben noch mehr Betten leer, die Übernachtungszahl der ersten vier Monate hat sich auf noch 253 889 marginalisiert – ein Anteil von nur noch 20,3 Prozent am Spitzenwert aus 2019.
Sieben Monate Stillstand
„Sieben Monate Komplettstillstand liegen hinter uns“, so Dellnitz. Der Städtetourismus sei als erster von der Krise betroffen worden, er leide am stärksten, und „er wird am längsten brauchen, ums sich zu erholen“, so der stark eingetrübte Ausblick. 60 Prozent aller ausländischen Gäste in Deutschland strömten in Städte. Zurzeit kommt keiner. „Chinesen, Amerikaner, der Markt ist nicht da“, so Dellnitz, Reisen würden zum Beispiel in China „sehr erschwert“. Und bei den Geschäftsreisenden wiege bei den Firmen die Frage, ob der Ertrag den Aufwand rechtfertige, noch schwerer als früher. Insgesamt gebe es „eine extreme Tendenz zu kurzfristigen Buchungen“.
Um die Hotelzimmer zu füllen, will Dellnitz „so viele Marketingmaßnahmen in Gang setzten wie noch nie.“ Je nach Markt ist das auch eine Frage des Timings. Das Auslandsmarketing soll erst im Herbst dieses Jahres oder Anfang 2022 wieder anlaufen, wenn zum Beispiel auch wieder auf Großveranstaltungen wie das Volksfest verwiesen werden könne.
Gäste aus der Region im Blick
Der Fokus liegt daher auf dem Freizeittourismus und auf der Region. Im Sommer gibt es unter dem Slogan „City Flair“ Kooperationen mit der Bahn auch dem vom Land verantworteten Regionalverkehr. Gelockt werden sollen Gäste aus einem Umkreis bis 200 und bis 400 Kilometer. Die Hotels sollen in ihren Internetauftritten die Freizeitangebote in der Region darstellen.
Mit dem Strategieplan 2021 bis 2027 will Dellnitz alle touristischen Angebote in der Region auf einem „Erlebnisportal“ buchbar machen. Von 2022 an soll es eine „Regiocard“ geben, mit der man 100 Angebote kostenlos nutzen könne. Offenbar eine Herkulesaufgabe. „Das hat uns schon zwei Jahre Vorarbeit gekostet“, sagte Dellnitz.
Für 2023 ist die Eröffnung des Hauses des Tourismus am Marktplatz geplant, das für rund 9,5 Millionen Euro im ehemaligen Breitling-Bekleidungshaus entsteht. Die weiteren Wegmarken aus der Talsohle sind die Fußball-EM 2024 und die Eröffnung von Stuttgart 21 Ende 2025 – der Tiefbahnhof soll als „architektonische Leistung“ beworben werden, so Dellnitz. 2025 solle die Rekord-Übernachtungszahl aus 2019 eingestellt werden.