Der Olympia-Vierte aus Biberach, Steffen Deibler, trainiert längst nicht mehr in Württemberg Foto: dpa

Wenn an diesem Montag die Beckenschwimmer in Berlin in ihre EM starten, ist Württemberg nur durch Vanessa Grimberg vertreten. Zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinschauen wird deutlich: Es gibt weit mehr Schwimmer – allerdings haben sie dem Schwimm-Verband Württemberg (SVW) den Rücken gekehrt.

Stuttgart - Acht Leichtathleten aus Württemberg sind zurzeit bei den Europameisterschaften in Zürich am Start. Wenn an diesem Montag die Beckenschwimmer in Berlin in ihre EM starten, ist Württemberg nur durch Vanessa Grimberg (SGS Region Stuttgart) vertreten. Zumindest auf den ersten Blick. Beim zweiten Hinschauen indes wird deutlich: Es tummeln sich weit mehr Schwimmer aus der Region im Becken des Velodrom. Allerdings starten sie nicht mehr für einen der hiesigen Vereine, sondern haben dem Schwimm-Verband Württemberg (SVW) den Rücken gekehrt. Die Schwimmer-Flucht aus Württemberg hat vornehmlich einen Grund: miserable Trainingsbedingungen.

Schon vor Jahren haben Steffen Deibler, Olympia-Vierter über 100 Meter Schmetterling, und sein Bruder Markus (Olympia-Achter über 200 Meter Lagen) das beschauliche Biberach verlassen. In Hamburg fanden sie ihr Glück. „Um international mitzuhalten, mussten wir diesen Schritt machen“, sagt Steffen Deibler, in Berlin Medaillenkandidat über 50 und 100 Meter Schmetterling. Clemens Rapp, der Olympia-Vierte mit der 4 x 200-Meter-Freistilstaffel, ist im benachbarten Bad Saulgau zum Topschwimmen gereift und startet seit Januar für den SV Nikar Heidelberg. Isabelle Härle (jetzt Essen) war in Bad Saulgau seine Trainingspartnerin – am Donnerstag wurde die Freiwasserschwimmerin, die in Berlin auch im Becken startet, Europameisterin. 2013 war sie sogar Mannschafts-Weltmeisterin im Freiwasser. Vor vier Wochen verließ Annika Bruhn den SV Bietigheim und die Trainingsgruppe in Stuttgart. Die deutsche Meisterin über 100 und 200 Meter Freistil schwimmt nun, der Olympia-Perspektive wegen, für das neue Team Rio Saarland. „Das hier ist etwas anderes als in Stuttgart“, sagt sie.

Viel zu selten steht ein 50-Meter-Becken fürs Training zur Verfügung, im Fall Bruhn zeigt sich ein weiteres, zusätzliches Dilemma im württembergischen Schwimmsport, das den Missmut unter den Athleten verstärkt: Es gibt nicht einmal einen Landestrainer. Vor drei Monaten hatte Bruhns Trainer Reiner Tylinski seinen Job als Landestrainer gekündigt, er ging als Nationalcoach nach Kuwait. Davor hatte Thomas Lebherz, der zweite Landestrainer, seine Stelle quittiert – er arbeitet nun beim Olympiastützpunkt Stuttgart. Plötzlich drohte der SVW-Trainingsgruppe in Stuttgart das Aus. Inzwischen sucht der Verband einen Nachfolger. „Wir wollen die Trainingsgruppe und den Stützpunkt erhalten“, sagt SVW-Schwimmwart Holger Kilz (Ulm).

Ungeachtet dessen geht der Aderlass aus Württemberg weiter. Der SV Schwäbisch Gmünd fordert seit Jahren vergebens ein ganzjährig überdachtes Becken. Weil sich nichts tut, ist das Talent Henning Mühlleitner (17) nach Saarbrücken gewechselt. Vor vier Wochen wurde er Junioren-Europameister mit der 4 x 200-Meter-Freistilstaffel. „Ich habe alles richtig gemacht“, sagt er. In dem Talent Per Kleinschmidt (16) folgt ihm dieser Tage ein weiterer Gmünder ins Saarland – der besseren Bedingungen wegen.