Mircea Cartarescu macht Bukarest zum Ort der Weltliteratur Foto: dpa/Angel Diaz

In Mircea Cartarescus Roman „Solenoid“ ist alles möglich. Das brutale Rumänien der sozialistischen Diktaturjahre mischt sich mit Träumen und Lektürefrüchten. Und ein Ich-Erzähler lernt Läuse als Boten des Wahnsinns kennen.

Stuttgart - Ein Solenoid ist eine zylindrische Metallspule, die bei Stromdurchfluss wie ein Stabmagnet wirkt. Mircea Cartarescu katapultiert mit diesem an sich banalen technischen Vorgang seine Leser in einen literarischen Parallelkosmos, aus dem sie nach 900 Seiten nur widerstrebend in die Realität zurückkehren. Dies gelingt ihm durch ein autobiografisches Spiel: Was wäre gewesen, wenn er, statt zum prominentesten Gegenwartsschriftsteller seines Landes zu werden, ein unbekannter Rumänischlehrer geblieben wäre? Die Antwort gibt sich eben jener namenlose Lehrer in Form eines angeblich privaten Journals selbst: „Weil ich kein Schriftsteller bin, habe ich das unerklärliche Privileg, aus dem Inneren meines Manuskripts heraus zu schreiben, allseits von ihm umgeben, taub und blind für alles, was mich von meiner Sträflingsarbeit abhalten könnte. Ich habe keine Leser, habe nicht das Bedürfnis, ein Buch zu signieren. Hier, im Bauch des Manuskripts, durch seine verschlungenen Eingeweide irrend, auf sein merkwürdiges Gebrabbel hörend, spüre ich meine Freiheit und ihren unverzichtbaren Begleiter: den Wahnsinn.“