Künftig werde es eine verbindliche Informatik-Grundbildung für Schülerinnen und Schüler geben, kündigte Ministerpräsident Kretschmann an Foto: dpa

Experimentieren und ausprobieren wäre in der Berufsausbildung optimal. Doch genau im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich herrscht Fachkräftemangel.

Stuttgart - Dem Land fehlen zunehmend junge Fachkräfte aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, zeigen Studien wie der Fachkräftemonitor der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart. Denn immer weniger junge Menschen interessieren sich für eine Berufsausbildung in diesem Feld. Vielleicht liege das ja daran, dass die Schüler im Unterricht zu wenig Möglichkeiten haben, um zu experimentieren und auszuprobieren, sagt der zwölfjährige Federico Burisch – und macht vor, wie es anders gehen könnte.

MINT-Nachwuchs muss stärker gefördert werden

Der Achtklässler aus Mannheim steht an einem kleinen Tisch im Haus der Wirtschaft, wo am Dienstag ein Forum zum Thema Nachwuchsförderung im Mint-Bereich stattfindet – also im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Vor ihm liegen ein paar Blätter mit Experimenten – auf Papier, zum Nachmachen für den Unterricht. Weil er sich ärgerte, physikalische Versuche immer nur theoretisch ins Heft zu zeichnen, hat Federico mit Bleistift Schaltkreise aus Graphit gezeichnet, die Strom leiten und so kleine LED-Lämpchen zum Leuchten bringen. Interaktives Physikheft nennt er das, und hat damit auch schon Preise für junge Forscher gewonnen. Seine Mitschüler habe er damit jedenfalls neugierig gemacht, erklärt er – vielleicht würden ja auch die Schulen irgendwann mehr in dieser Richtung tun.

Dass es hier derzeit noch Nachholbedarf gibt, haben auch Politik und Unternehmen erkannt. „Unsere Wirtschaft steht zwar momentan noch gut da, aber der Fachkräftemangel in diesem Bereich ist längst Realität geworden“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei dem Forum der Baden-Württemberg-Stiftung und der Bildungsinitiative Wissensfabrik. Um Wohlstand und Innovationskraft im Land zu erhalten, sei eine konsequente Förderung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich von der frühkindlichen Bildung bis zum Schulabschluss dringend nötig. „Dabei sollten wir auch alles dafür tun, um die Chancen aus den aktuellen gewaltigen Umwälzungsprozessen wie der Zuwanderung und der Digitalisierung nutzbar zu machen.“

Kretschmann kündigt verbindliche Informatik-Grundbildung an

Baden-Württemberg liegt beim Fachkräftemangel im naturwissenschaftlich-technischen Bereich im bundesweiten Vergleich an der Spitze: Auf einen Arbeitslosen kommen mehr als drei offene Stellen für Mint-Experten, zeigt sich im Ländertest des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft – mit steigender Tendenz.

Auch Unternehmer im Land mahnten frühes Entgegensteuern an: „Unsere Zulieferer erleben den Fachkräftemangel im technischen Bereich schon jetzt ganz konkret“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. „Das Entscheidende ist letztlich schon bei Kindern Begeisterung für Technisches zu wecken. Technik an den Schulen schon früher zu vermitteln ist ein Ansatz.“ Gerade im Bereich Informatik bestünde hier noch großer Nachholbedarf, so Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach.

Dieser Forderung vonseiten der Wirtschaft will Kretschmann nun nachkommen – und kündigte überraschend an, dass künftig alle Schüler an allgemeinbildenden Schulen eine Grundbildung in Informatik erhalten werden. Das Konzept werde er gemeinsam mit Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in den kommenden Tagen vorstellen, sagte Kretschmann.

Interesse der Schüler muss stärker gefördert werden

Das Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern in der Schule sinkt stetig, zeigt das MINT-Nachwuchsbarometer 2014. Dies spiegelt sich auch in der Wahl der Leistungskurse Physik und Chemie wider: Nur noch etwa drei bis vier Prozent der Schüler entscheiden sich derzeit für ein Neigungsfach im MINT-Bereich. Die Wahl solcher Profilfächer hat der Studie zufolge aber einen erheblichen Einfluss auf die Studienfachwahl.

„Es muss viel aktiver etwas getan werden, um das Interesse der Schüler zu wecken“, sagte Dirk Lehmann, Physiklehrer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Filderstadt. Sein Vorschlag: „Wir müssen den Schülern mehr Freiräume schaffen, sodass sie mehr experimentieren und praktisch ausprobieren können.“ So, wie das Federico Burisch bereits vormacht.