Wird am Mittwoch 53 Jahre alt: der ZDF-Talker Markus Lanz. Foto: dpa/Markus Hertrich

Bei ZDF-Talker Markus Lanz verteidigt Markus Söder die Russland-Politik der vergangenen Jahre und wird dafür von Experten attackiert. Putin „hat alle angelogen“, sagt der bayrische Ministerpräsident.

Das Bild ist gespenstisch. Die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf steht im ukrainischen Odessa, immerhin eine Millionenstadt, und hinter ihr tut sich: nichts. Die Lage in der Hafenstadt sei sehr angespannt, überall seien Soldaten und Panzersperren, nach 20 Uhr dürfen die Menschen ihre Häuser nicht mehr verlassen, berichtet die Journalistin zu Beginn der ZDF-Talksendung Markus Lanz am Dienstagabend. Sie selbst steht mit ihrem Kameramann mit Ausnahmegenehmigung der Stadt in Reichweite des Hotels – um im Fall der Fälle schnell in das Gebäude flüchten zu können. In Odessa wartet man auf die Angriffe der russischen Soldaten.

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Erste Luftangriffe habe es bereits gegeben, es mehrten sich Hinweise, die Russen könnten die Stadt vom Meer aus attackieren. Aber „die Ukrainer sind entschlossen, den Kampf zu führen“, sagt Eigendorf. Es sei beeindruckend, wie „die Bürger eines Landes einer Armee entgegentreten“, um einfach ihr Land zu behalten – gar nicht um Putin zu besiegen. „Dieser Wille“, sagt Eigendorf, „ist ungebrochen.“

In Russland wächst der Druck

In Russland hingegen wächst der Druck, jede Form von Protest wird unterdrückt. Seit Beginn der russischen Invasion sei die Zustimmung zu Wladimir Putin um 70 Prozent gestiegen, heißt es. War Deutschland zu russlandfreundlich? Das will Markus Lanz von Markus Söder wissen. Noch zwei Tage vor Beginn des Ukraine-Feldzugs sagte der bayrische Ministerpräsident, der vor zwei Jahren auf Einladung Putins den russischen Präsidenten getroffen hat: „Russland ist ein schwieriger Partner, aber kein Feind Deutschlands“. Jetzt sagt der CSU-Politiker: „Putin hat alle belogen.“

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Das kaufen ihm die versammelten Experten nicht ab. „Wir haben Putin nicht für voll genommen“, wirft etwa die Berliner Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer der deutschen Politik vor. „Wir haben uns sehenden Auges in die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl gegeben“, kritisiert Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Rechnung bezahlten nun die Menschen in den armen Ländern – mit Hunger. Denn 28 Prozent der weltweiten Weizenexporte stammen aus der Ukraine und Russland; diese brechen in diesem Jahr weg, das werde Folgen haben.

Söder: Sollten wir alle Kontakte abbrechen?

Man habe sehr wohl gewusst, mit wem man es zu tun habe, sagt die Politologin und Russland-Expertin Sabine Fischer mit Verweis auf die brutale Niederschlagung der Proteste in Russland nach der Parlamentswahl 2011 und den Einmarsch auf die Krim 2014. „Das ist alles sehr spät gehört worden, das ist nicht nachzuvollziehen.“ Und Markus Lanz, der an diesem Mittwoch seinen 53. Geburtstag feiert, fragt sich, warum bayrische Politiker wie Edwin Stoiber, aber eben auch Markus Söder, „öfter nach Moskau pilgern als nach Altötting“.

Der bayrische Ministerpräsident („Sie haben heute einen großen Belastungseifer“) verteidigt die Politik „Sollten wir alle Kontakte abbrechen? Sollten wir vorsorglich Embargos verlängern?“Für Deutschland als Exportland habe man immer versuchen müssen, „mit Russland im Gespräch zu bleiben“. Schließlich werde „unser Wohlstand, unsere soziale Symmetrie nicht funktionieren, wenn wir nur auf deutsche Dienstleistungen setzen“, das gehöre eben auch zur Wahrheit dazu.

Wo soll die Energie der Zukunft herkommen?

Und wo soll die Energie der Zukunft herkommen, wenn man sich nun aus der Abhängigkeit von Russland lösen wolle? Deutschland habe es schlicht versäumt, in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren in der Vergangenheit, kritisiert der Ökonom Marcel Fratzscher. Jetzt hat man den Salat. Und Söder weiß auch nicht, „wie wir uns so schnell unabhängig machen sollen“ und fordert deshalb erneut, das Kohlemoratorium einzufrieren und die deutschen Atomkraftwerke noch die nächsten drei Jahre am Netz zu lassen – wie es laut Umfragen 70 Prozent der Bevölkerung wollten.