Neue Wohnungen braucht das Land – vor allem bezahlbare Foto: dpa

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut fordert von den Kommunen bessere Kontrollen bei der Belegung von Sozialwohnungen und kündigt Unterstützung durch IT-Verfahren an.

Stuttgart - Rund 58 000 der 5,26 Millionen Wohnungen in Baden-Württemberg sind derzeit Sozialwohnungen: Sie dürfen von den Eigentümern nur an Personen mit einem Wohnberechtigungsschein vergeben werden, deren Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums ist das nicht der Fall. Bei einer Erhebung des Ministeriums seien die Angaben von 467 der 1101 Kommunen im Land nicht plausibel gewesen, kritisierte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Darunter seien auch rund 100 Kommunen, die nicht einmal ein Meldung abgegeben hätten.

Genaue Zahlen über Fehlbelegungen gibt es allerdings nicht. Die CDU-Politikerin geht davon aus, dass die meisten Sozialwohnungen von dazu berechtigten Personen bewohnt werden. „Aber wir müssen die Kontrolle intensivieren“, sagte sie unserer Zeitung. Das Ministerium plane deshalb auch, ein IT-Verfahren einzurichten, mit dem die gebundenen Wohnungsbestände einheitlich vollständig erfasst werden könnten und so auch die Überwachung der Einhaltung der Bindungen durch die Gemeinden erleichtert werde.

Kommunen fordern mehr Anreize für Bauherren

Die Kommunen räumen ein, dass in Einzelfällen Bewohner von Sozialwohnungen mehr verdienen als eigentlich zulässig. Das Hauptproblem seien aber nicht Fehlbelegungen, sondern der stetige Rückgang an Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren, sagt Gemeindetagspräsident Roger Kehle. 2002 gab es im Südwesten noch rund 137 000 Sozialwohnungen, die meisten sind inzwischen aus der Bindung herausgefallen. Würden keine neuen Sozialwohnungen gebaut, würde sich laut Ministerium die Zahl bis zum Jahr 2030 auf rund 38 100 verringern.

„Einem Bewohner, dessen Einkommen über die Höchstgrenze steigt, können wir nicht einfach kündigen, denn er braucht ja eine andere bezahlbare Wohnung – und die sind rar“, sagt Kehle. Um dem entgegenzuwirken, müssten Bund und Land die Hürden senken und mehr Anreize für Bauherren schaffen. Mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten könnten mehr Privatpersonen, Baugemeinschaften oder Genossenschaften dafür gewonnen werden, in den Mietwohnungsbau zu investieren.

Fehlbelegung während der Bindefrist sei unzulässig und müsse auch geahndet werden, „wenn man die Förderung nicht ad absurdum führen will“, sagte eine Sprecherin des Städtetags. „Es tut den Quartieren aber sehr gut, wenn traditionell gute Mieter wohnen bleiben dürfen, die für eine stabile Bewohnersituation sorgen“.

Günstige Ersatzwohnungen fehlen

Auch aus Sicht des Mieterbundes gibt es vertretbare Gründe, dass vereinzelt Personen ohne entsprechenden Wohnberechtigungsschein in Sozialwohnungen leben. „Zum einen, weil günstige Ersatzwohnungen fehlen, zum anderen, weil damit eine Gettobildung vermieden wird“, sagt der Landesvorsitzende Rolf Gaßmann. Deshalb lehnt er eine Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe ab. „Werden Sozialwohnungen aber von vornherein an Gutverdiener vermietet, dann muss das abgestellt werden“, so Gaßmann.

Mit einem Wohnbauungprogramm will die Landesregierung die Wohnungsnot lindern. Von 2017 bis 2019 stehen dafür jährlich 250 Millionen Euro zur Verfügung, davon rund 183 Millionen für den sozialen Wohnungsbau. Im Gegenzug sind die Mieten für eine bestimmte Zeit gebunden, einziehen dürfen nur Personen, deren Einkommen eine bestimmte Höhe nicht übersteigt. In Stuttgart liegt die Einkommensgrenze derzeit bei 21 730 Euro brutto für eine Person, für einen Vier-Personen-Haushalt bei 45 655 Euro brutto.

2017 sei erstmals eine Trendwende zu verzeichnen gewesen, sagt Hoffmeister-Kraut. Über das Programm „Wohnungsbau BW 2017“ wurde Förderung für 1725 Mietwohnungen beantragt. „Eine solche Zahl von Anträgen für neue Sozialmietwohnungen wurde in Baden-Württemberg zuletzt 1997 erreicht – also vor 20 Jahren.“ Bei künftigen Projekten erlaubt das Land den Eigentümern auch, selbst über die Dauer der Mietpreisbindung entscheiden. Je länger diese ist, desto höher fallen die Zuschüsse des Landes aus.