Will Bauen schneller und günstiger machen: Nicole Hoffmeister-Kraut Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei der Diskussion um bezahlbaren Wohnraum darf es keine Denkverbote geben, sagt die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut im Interview.

Berlin - 250 Millionen Euro pro Jahr stellt das Land Baden-Württemberg für neue Wohnungen zur Verfügung, doch es fehlt an Bauland.

Frau Hoffmeister-Kraut, sind Sie zur Sozialistin konvertiert?

(lacht) Sie sprechen die erweiterten Maßnahmen zur Innenentwicklung an. Schon seit den 70er Jahren haben Kommunen im Südwesten die heute im Baugesetzbuch bestehende Möglichkeit, Baugebote auszusprechen und können als äußerstes Mittel auch enteignen, um Bauland innerhalb der Gemeinden zu gewinnen. Uns sind aber keine Fälle bekannt, wo eine Kommune davon Gebrauch gemacht hat. Das zeigt, dass sie damit sorgsam umgehen. Aber bei der Diskussion um bezahlbaren Wohnraum müssen wir über alles reden, da darf es keine Denkverbote geben. Denn der Bedarf ist riesig, und es fehlt vor allem an Flächen.

Außerdem im Video: Interview mit der Wirtschaftsministerin bei ihrem Besuch in unserer Redaktion.

Denkverbote – an welche unkonventionellen Mittel denken Sie noch?

Wir konzipieren zum Beispiel derzeit einen Kommunalfonds, mit dem wir Gemeinden bei der Finanzierung kommunaler Maßnahmen unterstützen wollen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Claus Paal, hat erklärt, Grundstückseigentümer müssten sich keine Sorgen machen, die CDU stehe zum „verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums“...

Auch ich stehe zum verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums. Wir sprechen über dieses Thema mit Blick auf mögliche Änderungen im Baugesetzbuch, weil wir eine Position dazu erarbeiten wollen – über diese Frage entscheidet ja nicht das Land. Fakt ist aber: Wir brauchen bis 2020 pro Jahr 65 000 Wohnungen und bis 2025 dann 54 000 jährlich. Ich bin die Letzte, die enteignen möchte, aber es gibt auch eine Sozialverpflichtung. Wichtig ist, dass die Kommunen auch Druckpotential haben, um in Verhandlungen zu Ergebnissen zu kommen.

Der Staat hat sich über Jahrzehnte immer mehr aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen. Müssten Sie das nicht heute umkehren?

Wir fördern den Mietwohnungsbau so stark wie lange nicht mehr – seit 2017 mit 250 Millionen Euro pro Jahr – und wir haben genug Investoren. Gleichwohl haben wir die Gründung einer Landesentwicklungsgesellschaft intensiv geprüft und kamen zum Ergebnis, dass dies keinen nennenswerten Beitrag zur Verbesserung der Wohnraum-Situation leistet. Der Kern des Problems stellt die Verfügbarkeit geeigneter Baugrundstücke dar. Diese Knappheit wird durch eine Landesgesellschaft nicht behoben.

Kommunalpolitiker schlagen unter anderem vor, eine Art Steuer auf Wertsteigerungen von Grundstücken zu erheben, die vor allem auf städtebauliche Entwicklungen zurückzuführen sind. Würden Sie da mitziehen?

Die Architektenkammer hat einige interessanten Vorschläge gemacht, etwa dass die Kommunen Grundstücke aufkaufen und günstiger weiterverkaufen. Die wirksamste Maßnahme , um die Preisentwicklung zu beeinflussen, ist die deutliche Erhöhung des Flächen- und Wohnraumangebots Investoren, die unsere Wohnraumfördermittel nutzen, sind gebunden in Bezug auf die Vermietung und die Höhe der Mieten. Der Wohnungsmarkt ist ein großer privater Markt, 60 Prozent der Mietwohnungen sind in Privatbesitz.

Sie haben kürzlich kritisiert, dass ein Teil der Sozialwohnungen in falscher Hand seien....

Wir haben festgestellt, dass die Kommunen zu einem großen Teil keine verlässlichen Zahlen über die Belegung haben, obwohl sie diese überwachen müssen. Wir gehen aber davon aus, dass die allermeisten öffentlich geförderten Wohnungen auch von Personen bewohnt werden, die Anspruch darauf haben. Um das sicherzustellen, planen wir, ein IT-Verfahren einzurichten, mit dem die gebundenen Wohnungsbestände einheitlich erfasst werden.

Viele klagen, dass die Qualitätsstandards und Baunormen zu hoch seien. Sollten Sie nicht die Landesbauordnung entschlacken, damit das Bauen günstiger wird?

Wir fördern den Wohnbau nicht nur mit mehr Geld, wir machen das Bauen zudem schneller und billiger. Wir beschleunigen das Bauen, etwa durch einfacheren Flächentausch oder kürzere Bearbeitungszeiten für Genehmigungen. Es gibt zudem mehr Flexibilität etwa beim barrierefreien Bauen.. Durch die große Nachfrage steigen aber auch die Preise bei den Handwerkerleistungen – bei diesen sind wir mittlerweile an der Kapazitätsgrenze.

Grün-Schwarz hat monatelang über Fahrradstellplätze und Fassadenbegrünung gestritten...

Inzwischen haben wir uns geeinigt. Künftig kann vor Ortentschieden werden wie viele Fahrradstellplätze wo erforderlich sind, genauso wie bei den Autostellplätzen. Dach- und Fassadenbegrünung bleiben verpflichtend, aber auch da gibt es Ausnahmen.

In Stuttgart können die Mieten binnen drei Jahren um höchstens 15 Prozent erhöht werden, in Ludwigsburg, Esslingen oder Leonberg dagegen um 20 Prozent. Müssten die Kappungsgrenzen und die Mietpreisbremse nicht auf mehr Kommunen ausgeweitet werden?

Dazu läuft derzeit ja auf Bundesebene eine Diskussion, deren Ergebnis wir abwarten. Für die Anwendung der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzen hat das Land Gebietskulissen für 68 bzw. 44 Kommunen geschaffen, in denen die entsprechenden Regelungen greifen. Diese Gebietskulissen wurden nach landesweit einheitlichen Kriterien ermittelt. Beim Zweckentfremdungsverbot und der Umwandlungsverordnung entscheiden die Kommunen vor Ort, inwiefern sie die Instrumente nutzen.

Warum lehnen Sie es ab, Internetportale zu kontrollieren, die Wohnungen als lukrative Ferienunterkünfte anbieten?

Wir diskutieren derzeit über das Zweckentfremdungsverbot, das verlängert werden muss. Schon jetzt haben die Kommunen das Recht, bei Eigentümern und Mietern abzufragen, wie die Wohnungen vermietet sind und sie können auch heute schon Eigentümer zwingen, Wohnungen langfristig und nicht nur wochenweise zu vermieten. Das wollen wir auch beibehalten. Manche wollen nun auch die Plattformen verpflichten, Informationen weiterzugeben. Ich frage mich, ob das den nötigen Mehrwert schafft oder ob das nichtzusätzliche Bürokratie bringt.