Manuela Schwesig auf Sommertour Foto: dpa

Manuela Schwesig ist derzeit unterwegs um für eine modernere SPD zu werben. Auch Besuche in Flüchtlingsunterkünften gehören dazu.

Heidelberg - Die Botschaft ist klar, wo immer Manuela Schwesig auf ihrer „Sommertour“ das Wort ergreift. „Wir müssen allen zeigen, dass wir, die offen sind und sich kümmern, die Mehrheit in diesem Land sind.“ Sagt sie in Heidelberg vor einer Flüchtlingsunterkunft. „Klare Kante“ gegen alle, die gegen Ausländer hetzen, auf den Straßen ebenso wie im Netz, das fordert sie auch.

260 Menschen leben hier in der Hardtstraße, aus Syrien, Afrika, dem Westbalkan. „Ich möchte Sie hier in Ihrer neuen Heimat ganz herzlich willkommen heißen“, sagt die Ministerin. Für das Mega-Thema Flüchtlinge ist sie eigentlich nur am Rande zuständig, etwa wenn es um unbegleitete Minderjährige geht, aber Schwesig mischt sich trotzdem gerne ein. Und bleibt bei aller Solidarität auf Regierungslinie: schnellere Asylverfahren und Ehrlichkeit gegenüber denen, die nicht bleiben können.

In gut zwei Jahren wird gewählt

„Die Mehrheit in diesem Land“ ist für die stellvertretende SPD-Vorsitzende auch im weiteren Sinne ein Anliegen, denn es ist Halbzeit der Legislaturperiode. In gut zwei Jahren wird gewählt, und es sieht nicht gut aus für die Sozialdemokraten. Das Sommerloch hat ihnen nicht wohl getan, in der Gunst der Wähler hat die SPD eher noch weiter verloren statt zugelegt.

Vorläufiger Tiefpunkt war die Äußerung des Kieler Ministerpräsidenten Torsten Albig, der öffentlich mit dem Gedanken spielte, angesichts der Popularität von Kanzlerin Angela Merkel am besten ganz auf einen SPD-Kanzlerkandidaten zu verzichten.

Und so kämpft Manuela Schwesig auf ihrer Sommerreise durch Kitas und Seniorenheime, betriebliche Bildungseinrichtungen und Zentren für Asylbewerber nicht nur für ihre Themen, sondern auch für das Standing der SPD - und logischerweise für das eigene. Die Ministerin hat sich als Trumpfkarte ihrer Partei in der großen Koalition profiliert. Mit einer modernen und offenen Familienpolitik will sie sich auch von der konservativen Union absetzen.

Elterngeld und Pflegezeit bereits durchgesetzt

Die Frauenquote ist ihr Erfolg, mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen soll einer werden, ihr wichtigstes Anliegen aber bleibt die Frage, wie Männer und Frauen Familie und Beruf noch besser vereinbaren können. Elterngeld und Pflegezeit sind bereits durchgesetzt.

„Familienarbeitszeit“ heißt jetzt ihr großes Projekt - 32 Stunden Wochenarbeit etwa für Väter und Mütter. Das hält sie für sinnvoller und gerechter, als wenn die schlechter bezahlte Mutter auf eine halbe Stelle geht und der Vater weiter Vollzeit schuftet.

Die 41-Jährige ist da dicht bei ihrer eigenen Lebenserfahrung. Sie pendelt zwischen Berlin und der Familie in Schwerin, ihr achtjähriger Sohn hat von seiner Mutter manche Tage nicht mehr als einen Anruf am Morgen und einen am Abend. Aber er hat einen Vater, der sich mit reduzierter Arbeitszeit kümmert.

Schwesig macht auch Home Office

Immerhin einen Tag im Monat arbeitet Schwesig zu Hause im Home Office, berichtet sie bei einer Diskussion im Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen. Flexible Arbeitszeiten, Kitaplätze für alle, Jobsharing auch in den Führungsetagen, dafür wirbt sie auch hier. Die Kinderbetreuung ist auf dem Gelände des Chemieriesen mit einer neuen Kita für 250 Kleine schon gut organisiert. „Ist das hier heile Welt?“ fragt Schwesig.

„Work-Life-Balance“ heißt das Stichwort. Wie organisiere ich mein Leben mit Beruf und Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen, gar noch ehrenamtlichem Engagement? Diese Fragen bewegen gerade die 30- bis 50-Jährigen. Und hier will Schwesig punkten. Ihre Forderungen sollen zum Pfund werden, mit dem die SPD im Wahlkampf 2017 wuchern kann. Denn sie weiß, dass dann zurückliegende Erfolge der Sozialdemokraten in der schwarz-roten Koalition, etwa der Mindestlohn oder die Rente mit 63, nicht mehr so viel wert sind.

Ganz bestimmt keine „heile Welt“ ist das hier im Wormser Stadtteil Neuhausen, wo Schwesig auch eine Kita besucht, allerdings eine mit 80 Prozent Migrantenanteil, Kindern aus 23 Nationen. „Ich heiße Manuela, ich bin eure Kinder-Ministerin“, sagt sie zur Begrüßung. „Alle Kinder lernen lesen, Indianer und Chinesen“, singen die Kleinen.

Finanziert wird auch mit Bundesmitteln

Hier gibt es, vorbildlich, eine halbe Stelle für eine interkulturelle Fachkraft, und noch eine halbe für eine Sprachexpertin. Finanziert auch mit Bundesmitteln. Trotzdem sind beim Wechsel in die Grundschule längst nicht alle fit in der deutschen Sprache, berichtet die Leiterin. Was daran liegt, dass eben nicht alle Eltern in diesem sozialen Brennpunkt ihre Kinder regelmäßig in die Kita schicken.

Begleitet wird Schwesig auf einigen Etappen ihrer Reise von der rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die schon im März 2016 eine Landtagswahl zu bestehen hat. Auch sie kann nicht glücklich sein über den Zustand ihrer Partei, auch wenn ihr genauso wenig wie Schwesig ein kritisches Wort über Parteichef Sigmar Gabriel über die Lippen kommt.

Welche Rolle wird Schwesig, die Frau aus dem Osten, wohl künftig in der SPD spielen? Immerhin wird sie schon jetzt so wichtig genommen, dass auf ihrer Sommertour auch Reporter der bunten People-Magazine dabei sind. In Worms trifft Schwesig den örtlichen SPD- Bundestagsabgeordneten Marcus Held. „Wir wünschen Dir alles Gute bei der Karriere“, ruft er seiner Vize-Parteichefin zu. Und weiter geht es, zur nächsten Station der Sommertour.