Der Minister spricht, die Abgeordneten hören zu. Foto: factum/Granville

Der CDU-Innenminister Thomas de Maizére macht Wahlkampf im Ludwigsburger Breuningerland. Und wird dort mit dem Schicksal eines Afghanen aus Tamm konfrontiert, dem die Abschiebung droht.

Ludwigsburg - Brütend heiß ist es auf der Dachterrasse des Ludwigsburger Breuningerlandes. Während in den unteren Stockwerken klimatisiert eingekauft wird, schwitzt der CDU-Innenminister im dunklen Anzug. Doch Thomas de Maizière, dem eine geradezu preußische Disziplin nachgesagt wird, legt sein Jackett erst zur Fragerunde ab. Die Wahlkampftour führt ihn nach Ludwigsburg, um die lokalen Abgeordneten Steffen Bilger und Eberhard Gienger zu unterstützen – ein Termin abseits von Themen wie Verbot der linksextremen Plattform Linksunten, Flüchtlingsdebatte und Aufarbeitung der G-20-Krawalle, die ihn ansonsten dieser Tage beschäftigen.

Bevor er mit seiner Rede loslegen kann, wird der Innenminister mit den praktischen Auswirkungen seiner Politik konfrontiert. Neben treuen CDU-Anhängern hat auch Lizzy-Belinde Jöckel den Weg aufs Breuninger-Dach gefunden. Zwischen geschniegelten Wahlhelfern der Jungen Union in orangefarbenen Bilger-Shirts, den vier Bodyguards des Ministers und den Angestellten der Gastronomie wirkt sie ein wenig wie ein Fremdkörper.

Das gilt noch mehr für ihren freundlichen Begleiter: Mubarak Shah Qasimi aus Afghanistan. Er hat einen Ausbildungsplatz bei einer Bietigheimer Firma. Doch sein Asylantrag wurde abgelehnt, die Klage liegt beim Verwaltungsgericht, ihm droht die Abschiebung. Deshalb darf er zurzeit keine Sprachkurse besuchen – die er für die Ausbildung braucht.

Der Minister will sich das Problem ansehen

Lizzy-Belinde Jöckel gehört zum Tammer Flüchtlings-Arbeitskreis und übergibt eine Liste mit 700 Unterschriften von Bürgern, die sich für Mubarak Shah Qasimi einsetzen. „Wir haben dafür doch die Drei-Plus-Zwei-Regelung“, sagt de Maizière. Damit meint er die sogenannte Ausbildungsduldung. „Das reicht aber nicht“, widerspricht die engagierte Tammerin. „Ich schaue mir das an“, sagt der CDU-Politiker und nimmt sich den braunen Umschlag mit den Unterschriften. Dann beginnt Wahlkampfroutine: Der ehemalige Reck-Weltmeister Eberhard Gienger verspricht in der Manier von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, die Arbeitslosigkeit bis 2025 zu halbieren.

Dann kommt Thomas de Maizère ans Rednerpult. Seine rechte Hand hält eine Seite des Rednerpults umklammert, die Gestik ist sparsam. Wie Donnerschläge hallen die Worte im sonoren Bass des 63-Jährigen über die Terrasse, während der eine oder andere an seinem Leberkäse kaut. Man merkt, dass der Mann einmal Verteidigungsminister war. Keine Pause, kein Applaus, kein Spaß. Den CDU-Politiker umgibt eine Aura der Seriosität, die durch das große Aufgebot an Polizisten in dem Shoppingcenter noch unterstrichen wird. „Ein Innenminister hat nicht so viele spaßige Themen“, sagt er zu Beginn.

Dem Land wie einem pubertierenden Sohn die Leviten lesen

Dann zeichnet er in CDU-Wahlkampfmanier ein düsteres Bild der Sicherheitslage in Deutschland, um sich und seine Partei zugleich als Garanten der inneren Ordnung in Erinnerung zu rufen. Stichworte G-20-Krawalle in Hamburg fallen, islamistischer Terror, Reichsbürger. Und dann die linksextreme Online-Plattform Linksunten, die er verboten hat. „Wenn zu Straftaten aufgerufen wird und Anleitungen zum Bau von Bomben verbreitet werden, dann ist Schluss mit Meinungsfreiheit“, sagt der Minister und erhält ersten Applaus. Am Ende zeichnet er ein größeres Bild. „Es ist etwas eingerissen in Deutschland, der Tonfall ist verroht“, sagt er. Und wie man dem pubertierenden Sohn auch mal sagen müsse „nicht in diesem Ton“, so stellt er sich das auch für das ganze Land vor.

Es sind Zwischentöne, die aufhorchen lassen. Als ein Zuschauer nach geheimen Plänen aus dem Jahr 2015 fragt, die Grenzen während der Flüchtlingswelle dicht zu machen, wird de Maizère ganz leise. „Stellen Sie sich vor, Bundespolizisten hätten mit Uniform und Ausrüstung Flüchtlinge an der Grenze abweisen müssen. Wie lange hätten wir die Bilder durchgehalten? Keine zwei Tage.“ Plötzlich wird die Grenze der Macht erfühlbar.

Der Flüchtling versteht die Welt nicht

Und dann äußert sich der CDU-Politiker noch zu Afghanistan, und damit indirekt zu Mubarak Shah Quasimi. Er war selbst 13-mal dort, es sei ein schönes, aber kompliziertes Land. Und doch seien 300 000 Menschen freiwillig dorthin zurückgekehrt. „Wir schieben nicht alle ab, deren Asylantrag abgelehnt wurde“, betont de Maizière, „nur wer Gefährder ist, Straftaten begeht oder zu Angaben seiner Identität lügt.“ Das gilt für Mubarak Shah Quasimi alles nicht. Er verlässt die Veranstaltung mit einem Fragezeichen im Gesicht.