Seit Anfang des Jahres gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde – zur Kontrolle erscheinen die Zollbeamten bewaffnet Foto: dpa

Exklusiv - Einigen Unternehmern sind die bewaffneten Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohns ein Dorn im Auge. Ein Brief kündigt nun an, dass weniger solcher Kontrollen stattfinden sollen als ursprünglich geplant.

Stuttgart - Dass Zollbeamte bewaffnet zur Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohngesetzes in die Betriebe kommen, ist für viele Unternehmer im Land ein Problem: Dies irritiere Kunden und Geschäftspartner gleichermaßen, so Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK). Umso mehr freue er sich darüber, dass die CDU-Landesgruppe nun angekündigt habe, dass bis auf weiteres weniger solcher Kontrollen stattfinden würden als geplant. Das geht aus einem Brief von Thomas Strobl hervor, Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag.

„Wir konnten jetzt erreichen, dass die für die Mindestlohnkontrollen vorgesehenen Zollbeamten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingesetzt werden“, so Strobl in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt. „Die aktuelle Flüchtlingslage stellt unsere Behörden vor große Herausforderungen.“ Es würden deshalb im BAMF 2000 neue Stellen geschaffen, so dass die große Anzahl der Anträge zeitnah bearbeitet werden kann. „Weder bewaffnete noch unbewaffnete Zollbeamte werden deshalb aufgrund von Mindestlohnkontrollen in den Betrieben aufschlagen“, schreibt Strobl.

Die Ankündigung sorgt für Erleichterung in der Wirtschaft. „Das freut mich aufrichtig“, sagte Kulitz. Ihm sei bewusst, dass diese Umorientierung an der schieren Dringlichkeit der Aufgabenbewältigung liege. „Es bleibt die Hoffnung, dass die in seiner Ausgestaltung und den zunächst bereitgestellten Personalressourcen vollkommen überzogene Mindestlohnüberprüfung in dieser Form nicht wieder aufgegriffen wird.“ Diese Hoffnung will die Zollverwaltung jedoch gar nicht erst aufkeimen lassen. Es sei richtig, dass dieses Jahr keine Nachwuchskräfte zur Ausweitung der Mindestlohnkontrollen hinzukommen würden, sagte eine Sprecherin der Bundesfinanzdirektion Südwest.

Bis 2019 sollen der Zoll 1600 neue Stellen bekommen

Ursprünglich war vorgesehen, dass die Zollverwaltung zur Kontrolle des Mindestlohns bis 2019 bundesweit 1600 zusätzliche Stellen bekommt. In diesem Jahr werden die Nachwuchskräfte jedoch eingesetzt, um rückständige Asylanträge zu bearbeiten und die Bundespolizei zu unterstützen. „Dies soll sich aber ändern, sobald es die politische Lage wieder zulässt“, so die Sprecherin. „Außerdem wird das bestehende Personal selbstverständlich weiter die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren.“ Es sei jedoch auch zutreffend, dass die Kontrollen derzeit nicht ausgebaut werden könnten.

Die Gewerkschaft Verdi und der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) reagierten verärgert auf den Brief Strobls: „Der Mindestlohn steht nicht zur Disposition und darf nicht untertunnelt werden“, sagte Leni Breymaier, Landesbezirksleiterin von Verdi in Baden-Württemberg. „ Solche Freibriefe hätte ich mir bisher in solcher Unverhohlenheit in Deutschland nicht vorstellen können“, so Breymaier.

Es sei schäbig, wenn Thomas Strobl den hart erkämpften Mindestlohn unter dem Vorwand der Flüchtlingskrise aushebeln wolle, sagte Schmid. „Die CDU Baden-Württemberg sollte endlich damit aufhören, Flüchtlinge und Einheimische gegeneinander auszuspielen.“ Klar sei: „Wir werden jeden Versuch der Lohndrückerei massiv bekämpfen“, sagte Schmid unserer Zeitung.