Durch Luftangriffe des syrischen Militärs auf von Rebellen gehaltene Teile von Aleppo sind mehrere Menschen getötet worden. Foto: SANA

Während sich die Mitglieder des Weltsicherheitsrates in New York gegenseitig die Schuld zuschieben, gehen die Luftangriffe auf Rebellengebiete in Aleppo weiter. Krankenhäuser sind wegen der Opferzahlen völlig überfordert. Ein Ende der Kämpfe? In weiter Ferne.

Beirut - Durch erneute intensive Luftangriffe des syrischen Militärs auf von Rebellen gehaltene Teile von Aleppo sind mindestens 23 Menschen getötet worden. Das berichtete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag. Der Syrien-Gesandte der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, warf der Regierung um Präsident Baschar al-Assad zu Beginn einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York „beispiellose militärische Gewalt“ gegen Zivilisten in der umkämpften nordsyrischen Stadt vor.

Die Regierungsoffensive zur Rückeroberung von Rebellengebieten im Osten Aleppos habe zu einer der schlimmsten Wochen des fünfeinhalbjährigen Bürgerkriegs geführt, sagte de Mistura. Dutzende Luftangriffe hätten Wohngebiete zerstört und Menschen getötet. Er forderte eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und die Versorgung von medizinischen Notfällen. Die USA und Russland, die eine mittlerweile zusammengebrochene Waffenruhe vermittelt hatten, rief er auf, sich um die Rettung der Feuerpause zu bemühen.

Opferzahlen steigen vermutlich noch

Aktivisten und lokale Vertreter berichteten, dass am Sonntag etliche von Rebellen kontrollierte Stadtteile in Aleppo aus der Luft bombardiert worden seien. Die Beobachtungsstelle vermutete, dass die Opferzahl am vierten Tag der Regierungsoffensive noch steigen werde. Ibrahim Alhadsch von der Syrischen Zivilverteidigung erklärte, seine Freiwilligengruppe habe bislang den Tod von 43 Menschen dokumentiert.

Krankenhäuser in der Stadt meldeten, sie seien wegen der hohen Opferzahlen überfordert. Wegen mangelnden Behandlungsmöglichkeiten wurde befürchtet, dass viele Verwundete an ihren Verletzungen sterben könnten. Mohammed Sein Chandakani, ein Mitglied des sogenannten Medizinischen Rates, sagte in einer der Kliniken: „Ich habe noch nie so viele Menschen an einem Ort sterben gesehen.“ Er fügte hinzu: „In weniger als einer Stunde haben die russischen Flugzeuge mehr als 50 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.“

Die Beobachtungsstelle hatte zuvor am Sonntag berichtet, dass 213 Zivilisten seit dem Zusammenbruch der Waffenruhe am Montagabend durch Luftangriffe und Beschuss in und um Aleppo getötet worden seien.

Der britische Außenminister Boris Johnson forderte eine Woche nach dem Angriff auf einen Hilfskonvoi in Syrien Ermittlungen gegen Russland wegen Kriegsverbrechen. Die russische Luftwaffe habe den zivilen Konvoi möglicherweise absichtlich ins Visier genommen, erklärte Johnson am Sonntag. Das russische Außenministerium wies die Äußerungen umgehend zurück.

Die Rede ist von Kriegsverbrechen

Auch der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sprach von Kriegsverbrechen, für die Russland und der Iran verantwortlich seien, sollten beide Länder Assad nicht zu einem Stopp der Gewalt bewegen. Die Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag sei ein „Moment der Wahrheit“ für die Vereinten Nationen, erklärte Ayrault.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz brachte nach eigenen Angaben dringend benötigte Hilfsgüter in vier seit langem belagerte syrische Städte. Zu den Hilfen zählten Lebensmittel, medizinische Versorgungsgüter und weiteres, teilte das IKRK am Sonntagabend mit.

Die vier Städte - Madaja, Sabadani, Fua und Kafraja - waren den Angaben zufolge für Hilfsorganisationen seit fast einem halben Jahr nicht zugänglich gewesen. Insgesamt sind dort 60 000 Einwohner eingeschlossen.

Der Syrische Arabische Rote Halbmond, der gemeinsam mit den UN und dem IKRK für die Konvois zuständig ist, teilte mit, dass 53 Lastwagen mit Hilfsgütern in Madaja und Sabadani angekommen seien. Beide Städte werden von regierungsnahen Kräften belagert, während Rebellen Kafraja und Fua umzingelt halten. Dort kamen demnach 18 weitere Trucks an.

Regierungstruppen und Rebellen haben den Vereinten Nationen bislang regelmäßigen Zugang zu belagerten Gebieten in Syrien verwehrt. Nach UN-Schätzungen sind rund 600 000 Syrer von verschiedenen Belagerungsringen eingeschlossen.