Minderjährige Flüchtlinge in der Inobhutnahme in der Kernerstraße Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Jugendamt bekommt die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von jungen Flüchtlingen normalerweise erstattet. Anderen Stadt- und Landkreisen sind laut Gesetz verpflichtet, einzuspringen. Nun drohen der Stadt aber wegen einer neuen Regelung hohe Mehrkosten.

Stuttgart - Die Stadt muss dem Jugendamt zufolge ihren Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen verbessern, um nicht auf Millionenkosten sitzen zu bleiben. „Wir bekommen die Kosten für unbegleitete junge Flüchtlinge nur erstattet, wenn wir innerhalb der ersten Woche nach deren Ankunft die Altersüberprüfung vornehmen“, sagte Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle am Montag im Rathaus.

Zu den Aufgaben des Jugendamts gehört es, bei jungen Neuankömmlingen aus Krisenregionen, die sich meist nicht ausweisen können, eine Altersüberprüfung vorzunehmen. Diese erfolgt jeweils durch drei Mitarbeiter des Amts, die in mehreren Gesprächen mit dem Flüchtling und aufgrund seines Äußeren ein Alter festlegen.

Die Finanzierung von minderjährigen Flüchtlingen ohne Begleitung unterscheidet sich grundlegend von jener der anderen Menschen aus Krisenregionen. Bei ihnen greift das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die Kosten für die Flüchtlinge unter 18 Jahren tragen laut Jugendhilferecht andere Stadt- und Landkreise, die keine minderjährigen Flüchtlinge aufnehmen, erklärt Harry Hennig vom Jugendamt. „Dahinter steckt die Logik, dass die Städte, die Jugendliche und Kinder aufnehmen, nicht auch noch dafür zahlen müssen“, sagt Hennig.

Jeder minderjährige Flüchtlinge muss Jugendamt in Obhut nehmen

Denn anders als bei volljährigen Flüchtlingen verteilt nicht die Landeserstaufnahme (LEA) in Karlsruhe die Flüchtlinge nach einer bestimmten Quote. „Jeder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, der in Stuttgart ankommt, muss von unserem Jugendamt laut Gesetz in Obhut genommen werden“, erklärte Jugendamts-Chef Pfeifle im Jugendhilfeausschuss, der die Arbeit mit den Trägern und Einrichtungen koordiniert.

Weil es keine Zuweisungsquote für die jungen Neuankömmlinge gibt, sondern das Jugendamt die Pflicht hat, alle aufzunehmen, könnten keine Prognosen getroffen werden, sagte Pfeifle. Sicher sei nur: Die aktuelle Plätze in der Stadt reichen bei weitem nicht aus.

Bis Ende Oktober sind 194 minderjährige Hilfesuchende nach Stuttgart gekommen. „Allein in diesem Monat sind bereits mehr junge Menschen nach Stuttgart geflohen, als die Inobhutnahme Plätze hat“, sagte der Jugendamtsleiter. Die zentrale Aufnahmestelle der Jugendhilfe in der Kernerstraße verfügt über 24 Plätze. Die Stelle in der Kupferstraße, die jedoch für Volljährige bestimmt ist, hat 28 Betten. Alle weiteren geflüchteten Jungen und Mädchen kommen stationär beim städtischen oder den freien Jugendhilfeträgern unter.

Die Fraktion der Freien Wähler, die um Auskunft im Jugendhilfeausschuss gebeten hatte, forderte ebenfalls eine Aufstockung von Plätzen und Personal. „Besonders dringlich ist es, die Ad-hoc-Klärungen des Alters voranzutreiben“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rose von Stein. „Die Ein-Wochen-Regelung hängt wie ein Damoklesschwert über uns“, heißt es aus Kreisen des Jugendamts.