Foto: Richard Stow/Promo

Mimi, die Tochter von Marius Müller-Westernhagen, geht einen eigenen musikalischen Weg.

Stuttgart - Mimi war schon Punk, Model und auf dem Cover des "Playboy". Ach ja: Und sie ist die Tochter von Marius Müller-Westernhagen. Mit empfindlichen Indiepopsongs ist sie nun in Stuttgart aufgetreten. Eine Begegnung.

Natürlich habe sie schon vor größerem Publikum gespielt, sagt Mimi - die Zahl der Besucher ihres Stuttgarter Konzertes ist tatsächlich überschaubar. Aber sie ist zufrieden: "Quality over quantity", darauf käme es an. Schlicht "lovely" findet die 25-Jährige aus London das Publikum, das in Stuttgart erschienen ist, um die Musik ihres ersten Albums "The Road To Last Night" zu erleben. Ein Titel, der, wie Mimi diesem Publikum kichernd sagt, tatsächlich auf einem Missverständnis beruht: "I wrote it last night", hatte sie dem Tontechniker erklärt, der sie nach dem Namen des Songs fragte. Ein Song, der mit dem Blues seiner Slideguitar und der im Hintergrund schwebenden Orgel ganz und gar nicht so klingt, als käme er aus London. Oder als sänge ihn die Tochter des Deutschrockers Marius Müller-Westernhagen.

Mimi reiht sich gut in den Chor junger Frauen ein, der seit einigen Jahren aus dieser Indie-Ecke erklingt. Sie steht auf der Bühne in einem leuchtend roten Kleid, das aus den 1960er Jahren zu stammen scheint, mit einem dunklen Haarschopf, ganz dunkel geschminkten Augen, sehr hübsch, manchmal mit einer akustischen Gitarre in der Hand und singt, ätherisch und in den Höhen mit apart brechender Stimme, von der Einsamkeit, der Liebe.

Tatsächlich, erzählt sie nach der Show, als sie sich ein gestreiftes weißes Jäckchen umgelegt und auf einer Couch im Kellerklub Platz genommen hat, war die Zeit, in der sie die Songs für ihre erste CD schrieb, von solchen Erfahrungen geprägt, vom Älterwerden, vom Ende der Schulzeit, vom Ende der Kindheit. Ihr nächstes Album aber soll heller werden - "ich fühl mich jetzt so viel stärker", sagt sie. Ganze 40 Songs hat sie schon geschrieben für dieses Album, notiert in ihrem Tagebuch.

Mimi, die eigentlich Sarah heißt, ging aus einer Affäre hervor, die Marius Müller-Westernhagen zwischen 1986 und 1988, zwischen einer Langzeitbeziehung mit der Schauspielerin Katrin Schaake und der Ehe mit Model Romney Williams in London hatte. Ihre Mutter ist die Schauspielerin und Sängerin Polly Eltes. Viel mehr als den Vater erkennt man diese Mutter in Mimis Musik wieder - denn Polly Eltes war es, die 1984 mit Michael Karoli, dem mittlerweile verstorbenen Gitarristen der Krautrockband Can, das wenig bekannte, aber sehr gelungene Album namens "Deluge" aufnahm - Polly Eltes einziger Beitrag zur Popmusik, weiblicher Gesang und dichte, pulsierende Soundlandschaften.

Von Soundlandschaften spricht auch Tochter Mimi gerne, wenn sie sich an ihre erste Lieblingsplatte erinnert - "Rumours" von Fleetwood Mac, eine Aufnahme, die sie noch immer liebt. Stevie Nicks ist für Mimi bis heute ein Idol, die größte aller Sängerinnen. Dann kamen die Dead Kennedys und die Pixies. Außerdem schwärmt diese fragile Person, die so fragile Musik macht, hemmungslos von der Heavy-Metal-Band Iron Maiden. Fragt man sie dagegen nach anderen Sängerinnen der aktuellen Szene, zuckt sie die Achseln: "Ich habe keinen Fernseher", sagt sie. Abgeschnitten von der Welt und den Medien, lauscht sie in sich hinein, auf der Suche nach ihrer Traummusik.

Ihre ersten Songs schrieb sie mit sechs oder sieben Jahren. Ein Freund ihrer Mutter gab ihr eine Gitarre, sie lernte zwei Akkorde - a-Moll und C-Dur, wie sie sich unsicher erinnert -, und sie begann, Lieder zu erfinden. Lieder, die von Neverland handelten - nicht der Ranch des Michael Jackson, sondern dem Nimmerland des Peter Pan. Als Teenagerin dann begeisterte sich Mimi für Radiohead und Björk, spielte lange mit Schulkameraden in einer Punkband. Deren Mitglieder begleiten sie heute noch als Musiker, sie nennen sich jetzt The Mad Noise Factory und erweisen sich als kompetent und mit sichtlichem Spaß bei der Sache. Mit langen Tüchern um den Kopf tanzen sie wild und bunt um Mimi herum über die Bühne, wie eine Bande Hippies. Die Sängerin ist zwar zu jung, um die Hippiezeit miterlebt zu haben. Doch sie schwärmt von dieser Zeit, in der es in der Musik noch ganz und gar darum ging, sich auszudrücken.

Den Traum von der Selbstverwirklichung will auch Mimi leben. Niemals, sagt sie, habe sie bewusst geplant, die Laufbahn einer Musikerin einzuschlagen, das habe sich so ergeben. Und auch mit ihren Songs läuft es so, erklärt sie: Sie schreibt am Piano oder mit der Gitarre, probiert verschiedene Akkordfolgen aus, erfindet einen Loop, mit dem sie so lange spielt, bis eine Struktur entsteht und sich ein Text dazugesellt. So entstanden auch die Songs ihres nächsten Albums, die sie noch auswählen muss aus den vielen Songs, die sie geschrieben hat, und ausarbeiten. Dazwischen beschäftigt sie sich mit Malerei und Mode: Mimi schuf die Coverart ihres ersten Albums selbst und näht sich alle ihre Kleider. Nur wie man sich eigene Schuhe herstellt, das möchte sie allzu gerne noch lernen - und wie man strickt.