Die Flasche ist leer: Christian Knees fährt nach dem Ende des Teams Milram künftig für den australischen Rennstall Pegasus Sports Foto: epa

Der letzte deutsche Profi-Rennstall Milram macht zu. Radsport boomt dennoch in Deutschland.

Stuttgart - Der Profi-Radsport in Deutschland hat sich selbst abgeschafft. Mit dem Team Milram macht der letzte erstklassige Rennstall zu, die Fahrer müssen sich Arbeitgeber im Ausland suchen. Der Radsport in Deutschland lebt trotzdem - Wettbewerbe für Freizeitradler boomen.

Das letzte Rennen fand in Fernost statt, doch wirklich interessiert hat sich niemand mehr dafür. Johannes Fröhlinger belegte beim Japan-Cup Rang sieben. Nichts Besonderes, und dennoch wird diese Platzierung in die Radsport-Geschichte eingehen. Denn es war der letzte Auftritt des Milram-Teams - Deutschland hat ab sofort keinen erstklassigen Profi-Rennstall mehr, die Talsohle ist erreicht. Wenn die Radler bei der Tour de France 2011 die Gipfel erklimmen, dann ohne deutsche Equipe. Erstmals seit 20 Jahren. "Der Profi-Radsport braucht Deutschland", sagte Milram-Teamchef Gerry van Gerwen zum Abschied, "die Frage ist jedoch, ob Deutschland den Profi-Radsport braucht."

Die Antwort lautet: natürlich nicht. Erst kappte die Telekom die Verbindung, dann drehte Gerolsteiner den Hahn zu und nun macht Nordmilch den Stall dicht. Niemand pumpt mehr Geld in den Radsport. "Das ist ganz schlecht", sagt der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans Holczer, "ohne erstklassige Mannschaft fehlen die Strukturen, um Talente fördern zu können. Und die aktuellen Profis müssen ins Ausland, bekommen dort weniger Anerkennung und Geld. Ein mieser Kreislauf."

Für Hobby-Pedaleure gibt es immer mehr Wettbewerbe

Den Milram nicht durchbrechen konnte. Nach der Kündigung durch Nordmilch erging es van Gerwen wie Holczer vor zwei Jahren: Es fand sich kein neuer Sponsor. Und die Fahrer schafften es nicht, durch Erfolge Argumente zu liefern. Linus Gerdemann, Fabian Wegmann, Gerald Ciolek und Co. hatten ein schwaches Jahr, van Gerwen trat deshalb nach: "Sie haben die Erwartungen komplett nicht erfüllt." Das wiederum hat Dietrich Thurau nicht verwundert. "So wie die fahren, sind die Milram-Jungs garantiert sauber", sagte die deutsche Radsport-Legende, "klar, dass sie nur abgehängt werden."

Die Angst vor einem Dopingskandal, das verheerende Image des Radsports, die dauernden Negativschlagzeilen - das Szenario ist so abschreckend, dass potente Investoren in Deutschland sofort abwinken, wenn ein Teammanager vor ihrer Tür steht und um sieben oder acht Millionen Euro bittet. "Die Werbewirksamkeit des Radsports ist enorm", meint Hans Holczer, "doch die Angst vor Doping würgt alles ab."

Auch Milram verabschiedete sich mit einem Dopingfall: Der Belgier Roy Sentjens wurde positiv auf Epo getestet. Weil im Radsport weiter munter betrogen wird, müssen sich deutsche Profis nun im Ausland verdingen. Gerdemann und Wegmann werden wohl künftig für die Schleck-Brüder in Luxemburg fahren, Ciolek geht nach Belgien zu Quick Step, Christian Knees zu Pegasus Sports nach Australien, Fröhlinger und Roger Kluge zu Skil Shimano (Niederlande). Markus Fothen überlegt, den Schweinemastbetrieb seiner Eltern zu übernehmen, Matthias Ruß fährt künftig für das Christliche Mountainbike-Team. "Für den deutschen Radsport", sagt Fothen, "sehe ich schwarz."

Muss er nicht. Es gibt zwar keinen Profi-Rennstall mehr und auch immer weniger Profi-Veranstaltungen, doch der Radsport lebt - auf anderer Ebene. Europas größtes Rennen steigt in Hamburg, 22.000 Freizeitradler starteten bei den Cyclassics. Für Hobby-Pedaleure gibt es immer mehr Wettbewerbe, die Teilnehmerzahlen steigen stetig - egal ob auf der Straße, im Wald oder in den Bergen. Radfahren ist zur Massenbewegung geworden. "Bei der Frage nach ihrer Lieblingssportart", sagt Hans Holczer, "geben die meisten Leute Radfahren an." Ob im Profi-Radsport der Rubel rollt? Das interessiert sie nicht wirklich.