Der Einsatz von Computern und Lernsoftware soll im Unterricht alltäglich werden. Foto: dpa

Der Bund will fünf Milliarden Euro in Breitbandanschlüsse, Wlan und Computer für Schulen investieren. Dem steht die Verfassung zwar entgegen – Realisierungschancen hat das Projekt dennoch.

Berlin - So viel Aufmerksamkeit ist Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) nicht gewohnt. „Sie sind aber viele heute“, sagte sie angesichts des Saals voller Journalisten und der vielen Kameras. Aber wenn die Bundesregierung ein Milliardenprogramm für die Schulen der Republik ankündigt, obwohl die Verfassung das streng genommen nicht zulässt, ist das Interesse natürlich groß. Wankas Ziele sind hoch gesteckt: Sie will erreichen, dass „Menschen jedes Lebensalters sich künftig souverän in der digitalen Welt bewegen können“ Um das zu garantieren, will sie den für die Schulbildung zuständigen Ländern ein Milliardenprogramm für eine bessere Computerausstattung an allen öffentlichen und privaten Schulen zur Verfügung stellen.

Was will der Bund genau für die Schulen tun?

Für die sieben Millionen Schüler und 750 000 Lehrer an allen 40 000 Schulen in Deutschland soll die Arbeit mit Computern und digitalen Lernprogrammen im Unterricht zur Selbstverständlichkeit werden. „Technik ist kein Selbstzweck“, betonte Johanna Wanka, „beim Lernen mit digitalen Mitteln gilt selbstverständlich der Primat der pädagogik.“ Um öffentliche und private Schulen von den Grundschulen bis zu den Berufsschulen mit Breitband-Anschlüssen, WLan-Zugängen und Computern auszustatten, will die Forschungsministerin über den Zeitraum von fünf Jahren hinweg fünf Milliarden Euro bereitstellen. Im Gegenzug sollen die Länder sich verpflichten, pädagogische Konzepte für den Einsatz der digitalen Lerntechniken zu entwickeln, gemeinsame Standards für den Umgang mit dieser Technik festlegen und für eine Aus- und Fortbildung der Lehrer sorgen. Da Finanzspritzen des Bundes für die Schulp0litik, die in der Zuständigkeit der Länder liegt, laut Verfassung nicht so einfach möglich sind, will Johanna Wanka eine Krücke nutzen: Sie beruft sich auf den Artikel 91c des Grundgesetzes, der es Bund und Ländern erlaubt, „bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigen informationstechnischen Systeme zusammenzuwirken“. Damit betritt sie bildungspolitisches Neuland.

Wie stehen die Schulen computertechnisch da?

Zwar gibt die Bundesforschungsministerin nicht allzuviel auf internationale Vergleichsstudien zum Thema, aber dass Deutschland immer nur im Mittelfeld liegt, räumt sie ein. Auch im Kultusministerium in Stuttgart heißt es, man habe keinen Überblick, die Lage sei von Ort zu Ort unterschiedlich. Allerdings geben Studien schon deutliche Hinweise: 2014 förderte die ICILS-Studie – eine Art Computer-Pisa – zutage, dass die hiesigen Schulen ziemlich mäßig abschneiden. Während sich in Norwegen im Durchnitt 2,4 Schüler einen Computer teilen, sind es in Deutschland 11,5. Eine Untersuchung der Telekom Stiftung diagnostizierte regionale Qualitätsunterschiede: Während in Bayern 70 Prozent der Schüler mindestens einmal in der Woche digitale Medien nutzen, sind es inBrandenburg nur 22 Prozent. Baden-Württemberg liegt dieser Untersuchung zufolge mit 50 Prozent auf dem siebten Rang und gerade noch in der oberen Hälfte des Länder-Rankings.

Wie konkret ist Frau Wankas Plan?

Einerseits haben SPD und Union bereits im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart, eine gemeinsame Strategie für digitales Lernen auf den Weg zu bringen. Andererseits wird der Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr bereits lange Schatten und bisher ist auf diesem Feld nichts passiert. Auch im Haushalt 2017 oder in der mittelfristigen Finanzplanung hat Forschungsministerin Wanka offenbar kein Geld für diesen Digital-Pakt bereitgestellt. Sie beruft sich lediglich auf ein grundsätzliches Einvnernehmen mit dem amtierenden Finanzminister Wolfgang Schäuble. Zudem stellt sie sich auf komplizierte Verhandlungen mit den Ländern ein. Mehrere Kultusminister haben bereits signalisiert, dass sie wegen der Finanzfragen Verhandlungsbedarf sehen. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) verwies auf „offene Fragen, vor allem bei der Finanzierung und der Verteilung der Projektmittel, die geklärt werden müssen“. Die Ankündigung ihrer Parteifreundin bezeichnete sie „als ein gutes Signal. Doch jetzt kommt es auf die Umsetzung an“. Johanna Wanka hat sich noch nicht festgelegt, wann das Geld fließen und wie es verteilt werden soll. Das werde Gegenstand der nächsten Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl sein. Sie strebt nach eigenem Bekunden eine Bund-Länder-Vereinbarung an und favorisiert eine Art Wettbewerbsverfahren, bei dem der Bund jenen Schulträgern Geld gibt, die mit einem guten pädagogischen Konzept überzeugen.

Wie sind die Realisierungschancen?

Obwohl die Ankündigung dieses Förderprogramms ein Jahr vor der Bundestagswahl den Ruch eines Wahlversprechens hat und heute niemand wissen kann, welche Parteien den nächsten Koalitionsvertrag aushandeln werden, sind die Aussichten für die Umsetzung nicht schlecht. Erstens arbeitet auch die Kultusministerkonferenz an einer Digitalstrategie, die im Dezember beschlossen werden soll. Zweitens ist die gesellschaftliche Bedeutung der digitalen Bildung – und der Schlüsselrolle der Schulen dabei - unbestritten. Schon haben die Kommunen eine Fördersumme von 2,5 Milliarden Euro jährlich für dieses Thema gefordert. Johanna Wanka geht davon aus, dass alle Länder bei dem milliardenschweren Digital-Pakt schnell zugreifen werden und will in der Kultusministerkonferenz noch vor Dezember darüber reden. Selbstbewusst zitierte sie bei der Pressekonferenz in Berlin einen ungenannten Landeskollegen: „Wir nehmen alles – auch vom Papst.“

Allerdings macht ihr Koalitionspartner, die SPD-Bundestagsfraktion, verfassungsrechtliche Bedenken gegen den experimentellen Verfahrens-Umweg über den Grundgesetzartikel 91 geltend. Vize-Fraktionschef Hubertus Heil forderte erneut das bei einer Grundgesetzänderung 2006 beschlossene Kooperationsverbot in der Schulpolitik noch in dieser Legislaturperiode zu streichen. Es reiche nicht aus, die Schulen nur digital voranzubringen, betonte Heil. Sie benötigten eine dauerhafte Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Allerdings gab es auf Seite der Länder – unter anderem von Baden-Württemberg und Bayern – stets Widerstand gegen die Streichung des Kooperationsverbots. Auch der Hamburger Bildungssenator Thies Rabe (SPD), der die SPD-regierten Länder in der Bildungspolitik koordiniert, betonte: „Wenn Frau Wanka über diese wackelige Brücke gehen will, wird kein Land sie davon herunterschubsen.“