Ein Fall aus Stuttgart-Süd zeigt: Die Milieuschutzsatzung der Stadt bietet langjährigen Mietern kaum Schutz. Diese haben sich Hilfe suchend an die Lokalpolitik gewandt.
Weil die Mieter zweier Mehrfamilienhäuser in der Möhringer Straße fürchten, durch Verkauf der beiden Altbauten aus ihren Wohnungen gedrängt zu werden, haben sie sich Hilfe suchend an den Bezirksbeirat Süd gewandt. Wie sich nun zeigt, sieht sich die Stadt allerdings nicht in der Lage einzugreifen, obwohl die Gebäude dem Milieuschutz unterliegen.
Gleich zwei Parteien aus den Wohnhäusern Möhringer Straße 86 und 86a in Heslach haben sich in der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirats Süd Hilfe suchend an das Gremium gewandt. Ihre Namen sollen an dieser Stelle ungenannt bleiben.
Wie die Mieter berichten, seien das Vorder- und Hinterhaus bereits im vergangenen Jahr von einer langjährigen Eigentümerin an einen Stuttgarter Immobilienentwickler verkauft worden. Die Folge war zunächst eine Mieterhöhung um 15 Prozent. In den quartierstypischen Klinkerbauten, so berichten die Mieter, würden vorrangig Menschen mit geringem Einkommen leben.
Kaufinteressenten und Makler seien in den Häusern aufgetaucht
Nun sollen die Altbauten, so heißt es, erneut verkauft werden. Entsprechende Auskünfte hätten die Mieter von Kaufinteressenten und Maklern bekommen, die in den vergangenen Wochen in den Häusern aufgetaucht seien. Der neue Eigentümer habe zudem die Mieter aufgefordert, baldmöglichst auszuziehen, da die Wohnungen modernisiert werden sollen. Letzteres unterläge aber tatsächlich einem Genehmigungsvorbehalt. Zwei Parteien sind schon ausgezogen.
Das Problem: Die verbliebenen Mieter fürchten einerseits, sich sanierte Wohnungen nicht mehr leisten zu können. Andererseits sehen sie kaum Möglichkeiten, in Stuttgart eine gleichwertige Bleibe zu ähnlich günstigen Konditionen wie bisher zu finden.
Unterstützung erhalten die Betroffenen durch die Fraktionsgemeinschaft Die Linke/SÖS-plus im Bezirksbeirat, die die Stadt in einem Antrag auffordert, sowohl die Abgabe eines eigenen Kaufangebots als auch bei einem Verkauf an Dritte die Möglichkeit des Vorkaufsrechts zu prüfen. Der Antrag wurde im Bezirksbeirat mit drei Enthaltungen einstimmig angenommen.
Der Milieuschutz, der „die Zusammensetzung der gebietsansässigen Wohnbevölkerung“ eigentlich erhalten soll, erweist sich im vorliegenden Fall allerdings als zahnloser Tiger: „Auf Basis des Milieuschutzes erlaubt es die aktuelle Rechtsprechung der Stadt nicht, das Vorkaufsrecht auszuüben“, erklärt ein Sprecher. Er beruft sich dabei auf ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2021. Tatsächlich hat dieses seinerzeit bundesweit Furore gemacht, weil es das Instrument des Milieuschutzes weitgehend aushebelt.
„Das Gebäude wurde und wird laut Melderegister zu Wohnzwecken genutzt. Das Wohnen ist Ziel und Zweck der Milieuschutzsatzung. Entsprechend kann kein Vorkaufsrecht ausgeübt werden“, argumentiert die Stadt weiter. Es genüge generell nicht, die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Basis zukünftig erwarteter, negativer Entwicklungstendenzen zu begründen. Im Übrigen lägen der Stadt keine Verkaufsinformation bezüglich der betreffenden Immobilien vor.
Man prüfe „regelmäßig verschiedene strategische Optionen“
Auf die Frage, ob ein Weiterverkauf der Immobilien tatsächlich geplant sei, windet sich der Eigentümer: „Im Rahmen einer verantwortungsbewussten Bestandshaltung prüfen wir regelmäßig verschiedene strategische Optionen im Umgang mit unseren Liegenschaften. In diesem Zusammenhang kann es auch Überlegungen geben, sich punktuell von einzelnen Objekten zu trennen“, erklärt der Immobilienentwickler. Der Erwerb im vergangenen Jahr sei Teil einer „langfristigen Strategie, innerstädtische Wohnimmobilien zu sichern und behutsam weiterzuentwickeln“.
Konkreter wird der Eigentümer betreffend der möglichen Bebauung eines Wiesengrundstücks hinter den beiden Wohnhäusern in der Möhringer Straße 86. Die Grünfläche diente den Mietern früher als Garten, der aber nach dem ersten Verkauf der Immobilien „plattgemacht“ worden sei, so die Mieter.
„Die Bebaubarkeit wird aktuell im Rahmen einer Bauvoranfrage geprüft“, bestätigt der Eigentümer unserer Zeitung. „Perspektivisch sehen wir in der innerstädtischen Nachverdichtung eine Möglichkeit, bezahlbaren Wohnraum nachhaltig zu schaffen.“ Ein Verkauf des Grundstücks sei nicht geplant. Für die Altmieter der Möhringer Straße 86 und 86a dürfte es also eng werden – gleich in mehrfacher Hinsicht.