Diese Wohncontainer für Flüchtlinge suchten die Angeklagten am frühen Morgen des 12. Mai vergangenen Jahres heim. Sie schlugen gegen die Rollläden und brüllten herum – laut der Richterin, um dreien der Bewohner „einen Schrecken einzujagen“. Foto:  

Die Anklage gegen zwei junge Männer wegen versuchten Totschlags ist vor Gericht nicht haltbar. Sie werden wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Tat war zunächst als weit dramatischer eingestuft worden.

Esslingen - Der Fall löste in Esslingen im Mai vergangenen Jahres Entsetzen und Bestürzung aus. Zwei Täter sollen im Merkelpark drei irakische Asylbewerber brutal zusammengeschlagen und -getreten haben. Einer von ihnen soll gar versucht haben, einem der Flüchtlinge ein Messer in den Rücken zu rammen. Dafür mussten sich die beiden jungen Männer – heute 24 und 18 Jahre alt – seit Dezember wegen gemeinschaftlich versuchten Totschlags vor der 2. Großen Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart verantworten.

Von dieser Anklage ist indes nichts übrig geblieben, denn die beiden Angeklagten wurden am Donnerstag lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten beziehungsweise einem Jahr verurteilt.

Zunächst verbal ausgetragener Streit eskaliert

Laut der Vorsitzenden Richterin Sina Rieberg hatte sich an jenem lauen Freitagabend gegen 23.15 Uhr ein Streit entwickelt zwischen den drei 26 und 30 Jahre alten Irakern und einer fünfköpfigen Clique junger Männer, zu denen auch die beiden Angeklagten gehörten. Die Ursache für den Zwist an einer Plattform am Neckar habe nicht aufgeklärt werden können, aber man habe sich bereits gekannt und war sich offenbar auch zuvor schon nicht grün gewesen. Die Beweisaufnahme während der Verhandlung habe ergeben, dass sich aus dem zunächst verbal ausgetragenen Zoff ein handgreiflicher entwickelte, wozu auch Alkoholeinfluss und Gruppendynamik beigetragen hätten. In der Folge habe einer der Iraker einem seiner Widersacher eine Whiskyflasche auf den Kopf geschlagen und damit „eine enorme Provokation gesetzt“, so Rieberg.

Angesichts der kleinen Platzwunde, die der Attackierte dadurch davon trug, wurden dessen Freunde richtig wütend und wollten die Asylbewerber mit Fausthieben „in ihre Schranken weisen“. Auch ein kleines Messer – die Klinge maß maximal 2,5 Zentimeter – sei einem durch die Jacke in den Oberarm gestochen worden, wodurch dieser eine kleinere Wunde erlitt.

Heftig geführter Messerangriff bestätigt sich nicht

Dass laut der Opfer zudem mit Stöcken zugeschlagen und ein heftiger, gerade noch abgewendeter Messerangriff geführt wurde, „konnte die Kammer nicht feststellen“. Es habe sich gezeigt, dass die drei Asylbewerber selbst einen guten Teil zur Eskalation der Auseinandersetzung beigetragen hätten und den Ablauf später durchaus „dramatisierend“ geschildert hätten. Deren Verletzungen hätten sich zudem „in Grenzen gehalten“. Allerdings hätten die Angeklagten wiederum keinesfalls aus Notwehr gehandelt.

Die Vorsitzende räumt zudem ein, die Kammer sei vor „große Probleme bei der Feststellung des Tathergangs“ gestellt worden. Die Polizei habe sich bei ihrer Aufklärungsarbeit zwar große Mühe gegeben, aber im Prozess seien die Vernehmungen diverser Zeugen entweder von Schweigsamkeit oder vielen Widersprüchen geprägt gewesen. Entsprechend sei für das Gericht bei der Gewichtung der Aussagen „Vorsicht geboten“ gewesen.

Anklage wegen Landfriedensbruch eingestellt

Der Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs gegen die beiden Angeklagten wurde eingestellt. Wenige Stunden nach der Prügelei im Park waren sie mit mehreren Mitgliedern aus ihrer Gruppe zu den Flüchtlingscontainern in der Esslinger Fleischmannstraße gezogen und hatten dort gegen die Rollläden geschlagen und nach den damals dort wohnenden Irakern gerufen, um diesen „einen Schrecken einzujagen“. Doch bald schon seien sie weitergezogen. Die Angeklagten, die beide neun Monate in Untersuchungshaft gesessen hatten, waren schon im Laufe der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt worden.