Vertreter der Regierungskoalition, der Union und der Länder haben sich zu einem weiteren Migrationsgespräch getroffen. Was die nun beschlossenen Maßnahmen bedeuten und was daraus folgt: die wichtigsten Fragen und Antworten.
Am Dienstag sind Vertreter der Ampelkoalition, der Unionsfraktion und der Länder im Bundesinnenministerium zusammenzukommen, um erneut über die Migrationspolitik zu sprechen. Eine Einigung zwischen der Regierung und den Teilnehmenden von CDU und CSU gab es dabei nicht. Trotzdem gab Innenministerin Nancy Faeser (SPD) neue Maßnahmen bekannt. Unter anderem soll es sogenannte Grenz-Verfahren geben. Zudem hatte Faeser schon weitere Grenzkontrollen angekündigt.
Warum will Faeser mehr Grenzkontrollen?
Nach dem Terroranschlag von Solingen diskutieren Politiker erneut darüber, wie Fluchtmigration nach Deutschland eingedämmt werden kann. 2026 soll das neue europäische Asylsystem in Kraft treten, mit dem auch die Außengrenzen besser überwacht werden sollen. Bis dahin müsste Deutschland die nationalen Grenzen stärker kontrollieren, sagt Faeser. „Das dient der weiteren Begrenzung der irregulären Migration, das dient dem Schutz vor den akuten Gefahren durch den islamistischen Terror und durch schwere Kriminalität.“
Wie wurden die deutschen Grenzen bisher kontrolliert?
Die Regeln des Schengenraums sehen vor, dass es keine Binnengrenzkontrollen gibt. Das entspricht schon länger nicht mehr der Realität. An der bayerischen Grenze zu Österreich wird seit 2015 kontrolliert. Gleiches gilt für die stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, die seit Herbst 2023 gelten. Europarechtlich erlaubt sind die Maßnahmen, solange sie begründet und nur vorübergehend angeordnet sind. Außerdem muss die Bundesregierung die Maßnahme bei der EU-Kommission notifizieren.
Wer kann bei den Grenzkontrollen zurückgewiesen werden?
Wer kein EU-Bürger ist oder keine gültige Einreiseerlaubnis vorweisen kann, kann von der Bundespolizei an der Grenze zurückgewiesen werden. Es gibt allerdings eine wichtige Ausnahme: Wer an der Grenze um Asyl bittet, hat ein Recht darauf, diesen Antrag in Deutschland prüfen zu lassen. Praktisch zeigt sich allerdings, dass viele Menschen das nicht wissen und deshalb trotzdem abgewiesen werden. Wer schon mal abgeschoben wurde, darf ebenfalls nicht einreisen. So kommt es, dass es laut Angaben des Innenministeriums seit Oktober 2023 mehr als 30 000 Zurückweisungen gab.
Warum ist die Union aus den Gesprächen mit der Ampelkoalition ausgestiegen?
Die Union fordert umfassende Zurückweisungen an den Grenzen. Das ist aber juristisch umstritten. Laut der Dublin III-Verordnung muss ein Asylbewerber seinen Antrag im ersten EU-Staat stellen, den er betritt. Wenn jemand diese Länder durchreist und erst an der deutschen Grenze um Asyl bittet, muss Deutschland den Antrag trotzdem prüfen, bevor der Schutzsuchende zurückgewiesen wird. Wenn das sechs Monate lang nicht gelingt, fällt die Zuständigkeit an Deutschland zurück. Das passiert häufig. Die Union spricht sich deshalb dafür aus, sich auf eine Ausnahmeklausel im EU-Regelwerk zu berufen. Sie lässt sich so verstehen, dass Mitgliedsstaaten sich vorübergehend über Bestimmungen hinwegsetzen dürfen, um die öffentliche Ordnung zu erhalten und die innere Sicherheit zu schützen. Die Union glaubt, dass diese Ausnahmeklausel nun ziehen könnte. Ein Gutachten des Innenministeriums kommt aber zu einer anderen Einschätzung. Es verweist darauf, dass schon andere Staaten versucht haben, die Klausel zu aktivieren. Gelungen ist es nie.
Was schlägt die Innenministerin vor?
Faeser will sogenannte Grenz-Verfahren einführen. Wenn jemand an der Grenze um Asyl bittet, soll die Bundespolizei unmittelbar prüfen, ob nicht schon ein anderer Mitgliedsstaat zuständig ist. Dabei helfen könnte die EU-weite Datenbank Eurodac, in der die Fingerabdrücke von Asylbewerbern registriert sind. Gegebenenfalls könnte die Polizei dann bei einem Gericht Haft wegen Fluchtgefahr beantragen. Danach könnte ein beschleunigtes Verfahren zur Rückübernahme eingeleitet werden. Um solche Haftzentren einzurichten, bräuchte es aber die Zusammenarbeit mit den Ländern. Einige hätten schon Offenheit signalisiert, so Faeser.