Das Flüchtlingslager Foto: AP

Überquellende Müllcontainer, Fäkalien auf der Straße, Ungeziefer: Die Gesundheitsbehörden auf der Insel Lesbos drohen mit der Schließung des berüchtigten Camps Moria. Doch wo sollen die Bewohner dann hin?

Athen - Was die Gesundheitsinspektoren jetzt im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Ägäisinsel Lesbos notierten, liest sich wie ein Report aus einem Land der Dritten Welt: „Unkontrollierbare Mengen von Abfall“ und „überquellende Müllcontainer“ fanden die Prüfer. Stinkende Fäkalien aus gebrochenen Toilettenrohren fließen durch das Camp, ergießen sich auf die nahegelegene Landstraße. Ungeziefer überall. Seit Jahren prangert Christiana Kalogirou, Regionalpräfektin der nördlichen Ägäis, die katastrophalen Zustände in Moria an. Am Donnerstag betonte EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos, man habe wiederholt deutlich gemacht, dass die Lage in Moria sehr problematisch seien. Bewirkt haben die Proteste in Athen wenig.

Jetzt macht die Politikerin Druck: Das Lager sei „ungeeignet“ sowie „gefährlich für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt“, stellt die Präfektin in einem Schreiben an Migrationsminister Dimitris Vitsas fest. Wenn die Mängel nicht innerhalb von 30 Tagen beseitigt sind, werde sie das Lager halt schließen lassen, so der Beschluss der Präfektin.

Der Strom an Migranten reißt nicht ab

Moria ist einer von fünf so genannten Hotspots. In diesen Auffanglagern auf den Inseln Lesbos, Kos, Samos, Chios und Leros werden die Flüchtlinge und Migranten, die in Schlauchbooten aus der Türkei über die Ägäis kommen, registriert. Sie müssen so lange in den Lagern bleiben, bis über ihre Asylanträge entschieden wird. Aber weil es an qualifiziertem Personal fehlt, ziehen sich die Asylverfahren unendlich hin. Manche Antragsteller sitzen bereits seit zwei Jahren in den Hotspots fest. Zugleich steigt die Zahl die Neuankömmlinge stark an: Von Januar bis Juni kamen 22 936 Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei nach Griechenland. Das waren rund vier Mal so viele wie im ersten Halbjahr 2017. Noch im Juli hatte Migrationsminister Vitsas versprochen, er werde die überfüllten Lager auf den Inseln entlasten und mehr Asylsuchende aufs Festland umsiedeln.

Bis zum September sollte die Zahl der Lagerbewohner auf den Inseln nicht größer als 10 000 sein, kündigte Vitsas vor zwei Monaten an. Damals lebten in den Insellagern 17 800 Menschen. Inzwischen sind es über 20 000. Allein im Lager Moria hausen rund 8800 Menschen. Ausgelegt ist das Camp für die Unterbringung von 3100 Personen. In einem diese Woche publizierten gemeinsamen offenen Brief von 19 Hilfsorganisationen an die Athener Regierung ist von „beschämenden Zuständen“ in Moria die Rede: Es gebe zu wenig Personal, die Unterkünfte seien überfüllt, die sanitären Einrichtungen und die medizinische Versorgung unzureichend. Es sei schändlich, von Menschen zu erwarten, solch entsetzliche Bedingungen in Europa zu erdulden.

Wie er die drohende Schließung des Lagers durch die Regionalbehörde abwenden will, hat Migrationsminister Vitsas bisher nicht erklärt. Möglicherweise hält er das Ultimatum für eine leere Drohung. Tatsächlich ist schwer vorstellbar, wie die Präfektin Kalogirou eine Schließung des Lagers in der Praxis durchsetzen will. Eine Räumung des Camps würde wohl im Chaos enden – wohin mit den Menschen?