Die strahlende Moderatorin Michelle Hunziker hat eine dunkle Vergangenheit: von 2001 bis 2006 lebte sie in einer Sekte und wurde zunehmend isoliert. Foto: Getty

Die bekannte Moderatorin Michelle Hunziker hat fünf Jahre lang in einer Sekte gelebt. Wie sie kontrolliert und manipuliert wurde und wie sie den Absprung schaffte, hat sie in Frankfurt erzählt.

Frankfurt - Alles begann mit dem Haarausfall. Michelle Hunziker (41), war Ende der neunziger Jahre bereits eine erfolgreiche TV-Moderatorin in Italien, der Schweiz und Deutschland. Sie hatte gerade Italiens berühmten Junggesellen Eros Ramazzotti vom Markt genommen, war selbst ein aufgehender Star und junge Mutter von Aurora – ein scheinbar perfektes Leben. Aber eben nur scheinbar. Beim Ortstermin auf der Frankfurter Buchmesse erzählt die Moderatorin die Geschichte ihres bizarren Doppellebens in den Fängen einer Sekte.

Michelle Hunziker war das perfekte Opfer

„Ich war nicht wirklich glücklich obwohl alles perfekt schien“, sagt sie in Frankfurt, wo sie zwar einen beschaulichen, aber würdigen Starauftritt vor Journalisten hat. Die Auslöser der Kameras hören sich an wie das hundertfache Klicken leiser Maschinenpistolen. Bevor sie das Podium betritt, rufen ihr die Fotografen zu: „Michelle, ein bisschen weiter links“ – so als ob sie auf dem Roten Teppich unterwegs zu einer Preisverleihung wäre. Geduldig und charmant wie im Fernsehen lächelt sie in die Displays und Linsen.

Die Hauptrolle in ihrer Geschichte spielt eine gewisse Clelia. Eine Art Heilerin und Michelles Ersatz-Mutter in den fünf Jahren bei den „Kriegern des Lichts“ wie Hunziker die Sekte in ihrem Buch „Ein scheinbar perfektes Leben“ nennt. Clelia behandelte zunächst Ramazzotti wegen Stimmproblemen – mit Handauflegen und therapeutischen Gesprächen. So lernten sich die selbst ernannte „Prana-Therapeutin“ und Michelle Hunziker kennen. Clelia behandelte Michelles Haarausfall und spürte, dass sie ein perfektes Opfer war.

„Wie eine gefährliche Blume“

Der Moderator Marco Schreyl sitzt neben Michelle Hunziker auf dem Podium und will wissen, wie es kommen konnte, dass die Moderatorin, die als clever gilt, dieser Frau und der Sekte verfallen ist. Hunziker beschreibt es so: „Die Frau war wie eine gefährliche Blume. Schön und sanft. Sie hatte einen schönen Duft an sich und war mütterlich. Sie hat meine Schwächen sofort erkannt und hat subtil auf sie abgezielt.“ Clelia redete viel von vertikalen und horizontalen Energien sowie spirituellen Blockaden und traf bei der von Selbstzweifeln geplagten Michelle Hunziker ins Mark.

„Aller Ruhm und Reichtum nützt nichts, wenn man etwas Zerbrochenes aus der Kindheit mit sich herum schleppt.“ Ihre Eltern hatten sich getrennt, da ihr geliebter Vater ein „Alkoholist“ war, wie Hunziker in ihrem charmanten Deutsch-Englisch-Mischmasch mit italienisch-schweizerischem Akzent sagt. „Er war der Held meiner Kindheit, aber ich hasste ihn auch für seine Trinkerei, daher hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm.“ Außerdem fühlte sie sich oft einsam wenn Eros auf Tour und sie allein im großen Haus war.

Lange litt sie unter Panikattacken

„Letztlich war das eine kranke Suche nach Liebe“, sagt Hunziker. An dieser inneren Zerrissenheit setzte Clelia an. „Ich konnte mich anlehnen, ich konnte sie acht- oder zehnmal am Tag anrufen, sie hörte zu.“ „Sie lehrte uns, dass wir Auserwählte seien, weil wir das Glück hatten durch sie, unserer Meisterin, unsere Seelen zu retten.“

Wenn sie ihre Geschichte erzählt, bedeutet sie mit den Fingern öfter unsichtbare Anführungszeichen in die Luft. In den Jahren seit ihrem Ausstieg aus der Sekte 2006 scheint sie sich eine gesunde Distanz erarbeitet zu haben – was ihr allerdings nur mit therapeutischer Hilfe gelungen ist. Lange litt sie unter Panikattacken und hatte Probleme, Vertrauen zu fassen.

Die Schlinge der Sekte zog sich zunächst immer fester zu. Clelia und ihr Verein lebten von Hunzikers Geld, mehrere Millionen Euro habe sie in den fünf Jahren an sie verloren. Die Leute waren ihre Agenten, Sprecher und Clelias Sohn sogar eine Zeitlang Michelles Manager und Freund. Ihr Handy wurde kontrolliert, ihre Kontakte gesteuert, ihre Ernährung (vegan) und ihre Kleidung (nur Helles und möglichst aus Seide) vorgeschrieben. Die Gehirnwäsche war komplett. „Ich war freiwillig gefangen“, sagt Michelle Hunziker. „Und wenn sie merken, dass sie dich unter Kontrolle haben, fangen sie an, dich von deiner Familie zu isolieren.“ „Eros hatte mich eines Tages vor die Wahl gestellt: die oder ich.“ Hunziker entschied sich für ihre neue „Familie“. Der anschließende Sorgerechtsprozess um ihre Tochter Aurora geriet in die Schlagzeilen, die Presse schrieb, die Hunziker sei vom Satan besessen. Ihre Mutter versuchte vergeblich, Kontakt mit zu ihrer Tochter aufzunehmen.

Wie bei Drogenabhängigen

Der Ausstieg gelang ihr schließlich als ihre Tochter 2006 zu ihr sagte: „Ich will meine strahlende, schöne Mami zurück.“ Zweifel hatten schon lange an ihr genagt. „Im Herzen wusste ich, dass mein spiritueller Weg, wie ich es damals nannte, nicht richtig ist. Aber es ist wie bei Drogenabhängigen, man schafft es trotzdem nicht, davon wegzukommen. Befreit habe sie sich schließlich mit Hilfe einer Kollegin. „Sie haben mir gesagt, wenn ich ginge, würde ich sterben. Ich weiß es klingt verrückt, aber ich habe das in dem Moment geglaubt. Ich habe mir gesagt: lieber sterbe ich, als dass ich nur einen Tag länger mit diesen Leuten verbringe.“

Michelle Hunziker (41) spricht aufgrund ihrer Biografie gleich fünf Sprachen: Italienisch, Französisch, Deutsch, Englisch und Niederländisch. Sie ist als Tochter einer Niederländerin und eines Schweizers erst in der deutschsprachigen Schweiz aufgewachsen, später im italienischen Bologna. Als TV-Moderatorin arbeitet sie deshalb in Italien, der Schweiz und Deutschland. Bekannt wurde das frühere Model durch ihre Ehe mit dem italienischen Sänger Eros Ramazotti, mit dem sie eine Tochter hat. Seit 2014 ist Hunziker in zweiter Ehe mit Tomaso Trussardi verheiratet, dem Erben des gleichnamigen italienischen Modekonzerns. Das Paar hat zusammen zwei Töchter. Deutsche Fernsehzuschauer lernten Hunziker vor allem durch ihre Ko-Moderationen mit Thomas Gottschalk und Hape Kerkeling kennen. Sie war in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar – Kids.“

Ein überschaubarer Zirkel