Felix Herp, Timo Hackenberg und Patissier Kevin Paz Jimenez wollen nach den Sternen greifen, Jan Tomasic steht hinter seinem Team (von links). Foto: Hegel Eins

Wenn am 4. April der Guide Michelin für 2023 vorgestellt wird, könnten auch über Stuttgart neue Sterne aufgehen. Aktuell sind sieben Restaurants in der Stadt mit dem begehrten Symbol für Haute Cuisine ausgezeichnet. Das sind die Kandidaten.

Dass das Hegel Eins nach Höherem strebt, ist nicht zu übersehen. Sieben Gänge umfasst das aktuelle Frühlingsmenü, und jeder Teller gleicht einem Kunstwerk. Bis der Stern komme, sei nur eine Frage der Zeit, ist der Betreiber Jan Tomasic schon länger überzeugt. Am Dienstag, 4. April, könnte es so weit sein, wenn der Guide Michelin für 2023 in Karlsruhe vorgestellt wird. Neben dem Hegel Eins gibt es weitere Stuttgarter Kandidaten für einen Aufstieg in den Gourmethimmel. Die Brüder Scherle vom Hotel zur Weinsteige fahren ebenfalls auf Sterne-Kurs. Gero Schweizer ist nach den Lockdowns mit neuer Mannschaft durchgestartet. Oder holt sich Patrick Giboin vom Fässle seinen Stern zurück? Auch im Meister Lampe wird auf hohen Niveau gekocht – wie im Nagare, dessen japanisch-regionale Küche noch gar nicht im Guide verzeichnet ist.

 

Wielandshöhe ist die konstante Größe in Stuttgart

Im vergangenen Jahr gab es mit dem Ritzi einen Newcomer in der Riege der ausgezeichneten Restaurants, und die Speisemeisterei bekam den zweiten Stern. Vincent Klink erkochte seit 1993 fast ununterbrochen die Würdigung für die Wielandshöhe. Das Délice darf sich mit kurzer Unterbrechung auch schon seit 1996 mit einem Stern schmücken, der Gästeliebling 5 seit elf Jahren, Hupperts und Zauberlehrling stiegen 2019 auf. Im Hegel Eins legt sich Küchenchef Felix Herp ins Zeug, der zuvor auf der Burg Staufeneck und bei Marco Akuzun im Top Air war. Seine Gerichte strotzen vor Kreativität, Zutaten und Details: Zum Wagyu-Rind richtet er Dreierlei vom Mais an, das Short Rib ist umgeben von Popcornschaum. Zum Kreis der vom Guide Michelin empfohlenen Restaurants für Stuttgart gehört das Hegel Eins erst seit der Ausgabe 2022.

Im Hotel zur Weinsteige haben die Scherles am Qualitätsrad gedreht

Das Restaurant im Hotel zur Weinsteige gehört seit 20 Jahren zur Top Ten in Stuttgart. Nach der Coronapandemie standen die Scherles am Scheideweg: „Wir können entweder so weitermachen oder wir drehen am Qualitätsrad“, erklärt Andreas Scherle die Überlegung. Mit einem konstanten und motivierten Team in der Küche unter Jörg Scherle, einem prämierten Weinkeller und den passenden Räumlichkeiten im Rücken, entschieden sie sich für Letzteres. Seither werden ausschließlich Menüs serviert – mit japanischen Einflüssen. Das Signature Dish ist Koshihikari-Reis mit Wasabi-Rotkohlgelée, Edamame und Dashi Beurre blanc, als Hauptgang gibt es ein Kalbsfilet in Kräuterkruste mit Gänseleberpraline, Morchel und Spitzkohl-Cannelloni – und zu allen Gängen perfekt korrespondierende, von Andreas Scherle ausgewählte Weine. „Wir sind jetzt auf einem Level, auf dem wir viel Spaß haben“, sagt er.

Ein ausgezeichnete Sommelier für Schweizers Restaurant

Mit seinem Jugendstil-Ambiente gehört Gero Schweizers Restaurant, das er seit sechs Jahren betreibt, sicher zu den schönsten in der Stadt. Im Juni 2021 stand er coronabedingt allerdings ohne Mitarbeiter da und musste einen Neustart hinlegen. Mit Ralf Pinzenscham holte sich der Koch einen Sommelier ins Haus, der jahrelang im Top Air die Gäste bei der Weinauswahl beraten hat. Seinen Weinkeller baute er daraufhin aus. In sieben Gängen führt Gero Schweizer durch den Abend, Weiderind mit verschiedenen Texturen vom Kohlrabi gibt es für die Fleischesser, gebackener Polentastrudel mit Artischocke, Trüffel und Rotweinschalotte für die Vegetarier. „Unsere Gäste sagen, wir werden immer besser“, freut er sich.

Im Meister Lampe herrscht Zufriedenheit mit den Bewertungen

Mittlerweile seit elf Jahren wird im Meister Lampe „mit Freude gekocht“, wie es der Guide Michelin in der Ausgabe 2022 formuliert. Bestimmt habe er seinen Kochstil in der Zeit „ein bisschen verändert, aber nicht komplett neu erfunden“, sagt Daniel Stübler. Im „grenzwertigen Bereich zu einem Stern“ sieht er sein Restaurant. Dass er Küchen- und Servicechef in einer Person ist, steht dem Aufstieg aber vermutlich im Weg. Ihm fehle die Zeit, seine Gerichte mit der Pinzette anzurichten, scherzt Daniel Stübler. Und mit seinen bisherigen Bewertungen ist er schon mehr als zufrieden. Im neuen Gault & Millau für Baden-Württemberg ist er auf einem Niveau mit den Stuttgarter Ein-Stern-Lokalen – ebenso wie Hegel Eins, das Hotel zur Weinsteige, das Fässle und Nagare.

Im Fässle hat sich Patrick Giboin auf französische Küche konzentriert

Patrick Giboin ist für manche ebenfalls ein Kandidat, der sich seinen Stern dieses Jahr zurückholen könnte. Bis 2016 hatte er die Auszeichnung in der Waldenbucher Krone inne, mit seinem Wechsel nach Degerloch ins Fässle ging sie verloren. Seither fokussiert er sich immer mehr auf die Küche seiner Heimat. À la carte können die Gäste einen lauwarmen Kalbskopf mit Puylinsen wählen oder einen Pot au feu aus dem Meer mit Gemüse, Bouillabaisse-Sud und Sauce Rouille. Der Hauptgang im Menüs ist Limousin Lamm mit Bärlauch, Artischocken, Oliven und Rote Zwiebel. Wobei Patrick Giboin wie die Scherles noch einen Zwiebelrostbraten für seine Degerlocher Klientel im Programm hat. Sechs Gänge kosten im Fässle mit 88 Euro nur halb so viel wie sieben im Hegel Eins.

Das Nagare und das New Josch fehlen noch im Michelin

Mindestens in die neue Ausgabe aufgenommen werden muss Shinichi Nakagawa, der im Nagare Miso-Suppe nach Bouillabaisse-Art oder Entenbrust mit Schwarzwurzel, Karotte, Kräuterseitlingen, Rosenkohl und Paprika-Koji auftischt. Wobei der Koch, der Sterne-Erfahrung in der Wielandshöhe und im Top Air gesammelt hat, auch jede Menge Sushi à la carte anbietet. Eine neue Adresse für Gourmets ist natürlich das New Josch, das neben der Speisemeisterei zum Gastro-Ableger der Fellbacher Firma Wohninvest zählt und im vergangenen Dezember eröffnet hat. Das Ziel für die Mannschaft von Chefkoch Viorel Reiß dürfte klar sein.

Anmerkung der Redaktion

Délice
In einer vorherigen Version des Textes war das Jahr falsch, seitdem das Restaurant Délice mit ienem Stern ausgezeichnet ist: Der Stern wurde nicht 2016 sondern 1996 verliehen. Durch einen Kochwechsel ging er zwischendurch kurz verloren, wurde aber 2011 wieder erreicht.