Michel Barnier ist in Sachen Brexit-Einigung guter Dinge. Foto: AFP/JOHN THYS

48 Stunden vor dem EU-Gipfel setzt Chefunterhändler Michel Barnier ein Signal: Eine rasche Einigung über den britischen EU-Austritt ist nicht ausgeschlossen. Doch daran glauben nicht alle.

Luxemburg/London - EU-Unterhändler Michel Barnier hält eine Brexit-Einigung mit Großbritannien noch diese Woche für möglich. Dies sagte Barnier am Dienstag in Luxemburg. Nicht nur Deutschland fordert aber weitere Zugeständnisse aus London. Der EU-Binnenmarkt müsse geschützt und der Frieden in Nordirland gewahrt werden, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD): „Jetzt liegt es wieder mal an unseren britischen Partnern, das zu tun, was nötig ist.“

Nicht alle auf Seiten der EU glauben an eine Einigung beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs. „Ich denke, wir brauchen mehr Zeit“, sagte der finnische EU-Ratsvorsitzende Antti Rinne am Montagabend in Helsinki. Nach jetzigem Stand müsse nach dem Gipfel weiter verhandelt werden.

Druck steigt

Der Zeitdruck ist enorm. Ein Deal mit Großbritannien soll schon beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag stehen, um den britischen Austritt am 31. Oktober geregelt zu vollziehen. Nach Zugeständnissen des britischen Premierministers Boris Johnson vorige Woche wird seit Tagen wieder intensiv über den Austrittsvertrag verhandelt.

Barnier sagte aber vor einem Treffen der zuständigen EU-Minister, die Arbeit gehe jetzt erst richtig los. „Es ist höchste Zeit, gute Absichten in einen Rechtstext zu gießen“, mahnte der Franzose. Eine Vereinbarung müsse für alle funktionieren, sowohl für ganz Großbritannien als auch für die gesamte Europäische Union.

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Ein britischer Regierungssprecher bestätigte, dass im Rahmen der Verhandlungen neue Texte vorgelegt worden seien, von beiden Seiten. Johnson soll darüber in der Nacht eineinhalb Stunden lang mit Vertretern der nordirisch-protestantischen DUP gesprochen haben, wie der irische Sender RTÉ meldete.

Streitpunkt ist nach wie vor die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland offen gehalten werden kann. Aus Sicht der EU ist das nötig, um neue Unruhen in dem früheren Bürgerkriegsgebiet zu vermeiden. Doch will die Gemeinschaft nicht, dass über die „Hintertür“ der neuen EU-Außengrenze in Irland unkontrolliert und unverzollt Waren auf den Binnenmarkt strömen. Zur Debatte steht nun eine spezielle Zollpartnerschaft, die Kontrollen an der Grenzlinie überflüssig machen soll.

Deal muss diese Woche kommen

Das legten auch mehrere EU-Minister in Luxemburg nahe. So sagte der österreichische Minister Alexander Schallenberg, mit Blick auf den Austrittstermin 31. Oktober: „Wir haben noch 16 Tage.“ Alle hätten ein gemeinsames Interesse, einen ungeregelten Brexit zu vermeiden. „Ich bin guter Dinge.“ Der niederländische Minister Stef Blok meinte: „Wir sollten die verbleibende Zeit bis zum 31. Oktober nutzen.“ Die britischen Vorschläge seien ein Fortschritt gewesen, aber noch nicht ausreichend, um den Binnenmarkt zu schützen.

Premier Johnson braucht eigentlich noch diese Woche einen Deal. Gelingt dies nicht bis Samstag - den 19. Oktober -, muss der Regierungschef nach einem britischen Gesetz bei der EU eine Verlängerung der Austrittsfrist beantragen. Johnson hat sich jedoch immer wieder öffentlich festgelegt, den Austritt am 31. Oktober zu vollziehen - mit oder ohne Vertrag.

Gibt es eine Verlängerung

Sollte noch ein Abkommen zustande kommen, müsste es nicht nur vom britischen, sondern auch vom Europäischen Parlament rechtzeitig ratifiziert werden. SPD-Europapolitiker Jens Geier zeigte sich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur offen für einen Deal in letzter Minute, schränkte aber ein: „Machbar ist nur, was keine Fragen aufwirft. Alles muss geklärt sein, bevor wir ja sagen.“

Aus Sicht der Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke wird in jedem Fall eine Verlängerung nötig. „Das britische Parlament wird Zeit brauchen, einen gemeinsamen Weg nach vorne zu finden“, erklärte sie der dpa. „Als Europäisches Parlament haben wir bereits beschlossen, dem Vereinigten Königreich diese Zeit zu geben. Der Europäische Rat sollte sich dem anschließen und das Brexit-Datum verschieben.“