Michael Schumacher Foto: AP

Michael Schumacher steckt in einem Lernprozess - im Job, aber auch in seiner Lebenseinstellung.

Hockenheim - Michael Schumacher spielt im Titelrennen beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim (Sonntag, 14 Uhr/RTL) keine Rolle. Dennoch bekräftigt der Formel-1-Rekordweltmeister, dass ihm sein Comeback enormen Spaß macht und er den achten WM-Titel holen wird: "Daran hat sich nichts geändert."

Herr Schumacher, was war die größte Überraschung nach Ihrem Comeback?

Definitv überraschend sind die Reifen, die sehr gewöhnungsbedürftig sind. Vor allem, weil sie teilweise trotz gleicher Mischung sehr unkonstant sind - früher war's einfach zu verstehen, warum ein Reifen gut oder schlecht war. Wir wussten sofort, wie wir das beeinflussen können. Jetzt fährst du raus, wie etwa in Silverstone, da bist du mal eine halbe Sekunde schneller, mal eine halbe Sekunde langsamer - und du weißt nicht, warum. Das ist nicht nur für uns ein großes Rätselraten, auch von Fahrerkollegen höre ich das immer wieder. Es gibt aber auch Fahrer, die haben weniger Probleme, deshalb, so denke ich, liegt es mit am Auto. Ich glaube nicht, dass es eine Fahrersache ist, denn wenn es eine wäre, hätte ich, glaube ich, genug Erfahrung, um entsprechend Einfluss zu nehmen.

Was hat Sie sonst noch überrascht?

Nichts, wirklich.

Aber Sie haben sicher einige neue Erfahrungen gemacht in den vergangenen Monaten.

Es ist, dass ich mich nach den drei Jahren Pause erst wieder in den Rhythmus, in die Nuancen einarbeiten muss, dass ich alles im Detail spüren muss, vorausdenken muss, genau einschätzen, wie eine bestimmte Reaktion des Autos sein wird. Dafür bin ich sicherlich noch nicht weit genug. Mit diesem Auto, besonders auch in Kombination mit den Reifen, die es noch komplizierter machen. Weil die Veränderungen nicht immer so wirken, wie ich sie auf anderen Rennstrecke erfahren haben - es kommt eine neue Strecke, ich mache dieselben Änderungen, aber ein ganz anderes Resultat kommt raus. Das ist ein Lern- und Anpassungsprozess, den ich noch nicht abgeschlossen habe.

Kann man denn mit 41 Jahren überhaupt noch etwas dazulernen?

Definitiv! Genau darum geht es. Du musst in jeder Zeit die Möglichkeit haben, auf die verschiedenen Situationen zu reagieren. Der Unterschied ist, dass ich heute im Vergleich zu früher mehr Erfahrung habe - aber ich stehe immer wieder vor Situationen, die ich noch nicht kenne. Da darf man nicht die Einstellung haben: Das war früher so, das muss auch noch heute so sein. Das wäre falsch.

Der achte WM-Titel bleibt das Ziel?

Exakt, mein Ziel ist, innerhalb von drei Jahren die Meisterschaft zu gewinnen, daran hat sich nichts geändert - je früher, desto besser, vielleicht geht es ja auch schon in zwei. Realistisch könnte es schon nächstes Jahr möglich sein.

"Nico ist der beste Teamkollege den ich je hatte"

Was macht Sie da so sicher, dass das möglich sein wird - besonders mit Blick auf Ihren Teamkollegen Nico Rosberg, der auf dem Papier derzeit besser ist als Sie.

Auf dem Papier ist richtig. Es gibt sicherlich viele Anhaltspunkte, wo man sagen könnte, er ist besser. Ich weiß aber aus den Details, warum er besser war. Und ich weiß, was ich hätte machen können. Das stimmt mich zuversichtlich, dass ich das hinkriegen werde.

Und die Rangfolge umdrehen.

Man muss ganz klar sehen: Nico ist ein Toppilot. Ich würde sogar behaupten, er ist der schnellste und beste Teamkollege, den ich je hatte. Da ist nicht viel Spielraum, was er aus dem Auto rausholt. Fakt ist, dass ich nicht immer die 100 Prozent aus dem Auto raushole. Ich bin mir aber sicher, dass das kommen wird. Und dann sind es Nuancen und Kleinigkeiten, die gegen oder für mich entscheiden können. Aber da bin ich selbstbewusst genug, zu behaupten: Das kriege ich schon hin.

Es war für Sie eine Überraschung, dass Nico so schnell ist?

In Anführungsstrichen ja. Von außen gesehen war's nicht so offensichtlich. Das muss man schon sagen. Dass er schnell ist, das war mir schon klar - stark, wie präzise und konstant er fährt. Wenn man einen Rennfahrer von außen anschaut und versucht ihn zu analysieren, ohne die Informationen von innen zu haben, kann man keine vernünftige Analyse machen. Das ist so ähnlich, als wenn Sie mich beurteilen.

Ärgert es Sie, wenn Außenstehende wie Experten, Journalisten oder auch Fans ein negatives Urteil über Sie und Ihr Comeback fällen?

Nein, mit kritischen Fragen und Urteilen kann ich umgehen - ich bin ja mit mir selbst auch kritisch. Wenn die Kritiken gemein sind, dann stört es natürlich. Aber gewisse Dinge kann ich nicht erwarten - etwa, dass Details von außen erkannt und auch verstanden werden. Selbst ich stehe manchmal ja vor Fragezeichen, die ich nicht sofort auflösen kann. Wie soll dann einer von außen, der nicht mit der Materie so vertraut ist wie ich, sich ein richtiges Bild davon machen. Wenn es über das Maß der berechtigten Kritik hinausgeht, dann bin ich lange genug dabei, um zu wissen, das gehört zum Business dazu, das muss man hinnehmen. Und dass es besser ist, sich auf den eigenen Plan zu konzentrieren als sich darüber zu ärgern.

Vor zehn Jahren wurden Sie von Kritikern als Rennroboter Schumacher tituliert. Sind Sie heute lockerer, geduldiger?

Es ist ganz klar, dass ich lockerer mit Situationen umgehe. Ich kann gewisse Dinge beeinflussen, andere nicht - ich konzentriere mich deshalb nur noch auf das, was ich beeinflussen kann, was wichtig ist für mich, und das andere lasse ich eben so laufen. Fakt ist aber auch, als ich damals konstant erfolgreich war, gab es auch immer Phasen, in denen es nicht so gut gelaufen ist - und damals bin ich dann genauso in die Mühle geraten, wie ich heute wieder in die Mühle gerate. Das ist kaum anders, ob ich eine gute Ergebnis-Statistik oder eine weniger gute habe. Wenn es zwei Rennen schlecht läuft, taucht gleich schon die Frage auf, ob ich noch gut Auto fahren kann.

"Schade, wenn die schönen Autos verkratzt werden"

Gehen Sie heute anders mit Problemen um?

Ich reibe mich nicht mehr auf mit Dingen, die mich nicht schneller machen. Ich nehme mir Zeit, alles zu verarbeiten, zu analysieren, und mache mir Gedanken, wie es besser gehen könnte.

Ist diese Gelassenheit etwas Neues?

Sie ist offensichtlich anders. Ich war früher verbissener, da hat mir die Pause sicherlich gutgetan.

Der Hype um Ihre Person, hat sich der ein wenig gelegt? Früher mussten Sie sich versteckt im Kofferraum an die Rennstrecke von Hockenheim fahren lassen.

Das hat sich nicht wirklich geändert. Neu ist nur, dass wir nun andere Wege nehmen, wenn wir an den Hockenheimring fahren. Es muss ja nicht sein, dass die schönen Autos, die wir gestellt bekommen, immer gleich zerkratzt und zerbeult werden.

Schalten Sie auch mal von der Formel 1 ab?

Nein, das ist im Unterbewusstsein immer präsent. Ich muss aber auch nicht diesen Schnitt haben, es ist ja nicht so, dass mich meine Arbeit belastet. Ich bin hier, weil es mir Spaß macht, weil es mich motiviert, weil es eine Herausforderung ist. Deshalb verspüre ich gar nicht das Bedürfnis, einen Schalter umzulegen.

Vermissen Sie die Testfahrten?

Aufgrund der Situation nach drei Jahren Pause - da ich mit den Details nicht komplett vertraut sein kann, ein neues Team kennenlernen muss - ist das nicht hilfreich. Mir fällt keine andere Sportart ein, die auf so hohem Niveau betrieben wird, mit so viel Input und Aufwand, wo man während der Saison nicht testen, also nicht trainieren darf. Das macht es natürlich nicht einfacher.

Nach dem Fußballspielen zwickt's

Sie sind aber doch zurückgekommen, weil nicht mehr getestet wird.

Klingt paradox, ich weiß. Einerseits ist es ärgerlich, weil wir den Rückstand nicht so schnell aufholen können, andererseits bin ich nicht traurig darüber, nach jedem Rennen nicht gleich wieder im Auto sitzen zu müssen und Testrunden zu drehen. Ich glaube, dann würde es nicht reichen, noch mal drei Jahre durchzuziehen. So wie das Verhältnis jetzt ist, macht es sehr viel Spaß.

Wird heute härter gefahren als früher?

Dieser Eindruck, dass im Mittelfeld mehr gekämpft wird, dass es bis ans absolute Limit geht, das war früher in meinen Augen tatsächlich seltener. Definitiv sind mehr Fahrer kompakter zusammen - wenn man sich die Dichte anschaut, die das Feld vor zwei, drei Jahren zusammenlag, da war es nicht unüblich, wenn zwischen dem Ersten und dem Letzten sechs Sekunden lagen. Heutzutage haben wir ein sehr enges Feld von Position eins bis 15, die sind innerhalb einer Sekunde. Dann kommen noch paar Autos, die sind drei Sekunden weg. Das bringt eine höhere Dichte, da kommt es häufig zu Positionskämpfen, und die sind enger und heftiger als früher.

Ihre Fitness ist fast schon sprichwörtlich - fühlen Sie sich noch wie mit 25?

Meine Fitnesswerte sind uneingeschränkt hoch und gut. Wo ich mein Alter aber spüre, ist, wenn ich früher zwei, drei Stunden Fußball gespielt habe, war's kein Problem. Heute zwickt's am nächsten Tag dann hier und dort.

Müssen Sie einen höheren Aufwand betreiben, um diese körperliche Fitness zu erhalten?

Ich trainiere bewusster und fokussierter, ich teile mir meine Energie besser ein. Keine Frage, man wird nicht jünger.

Schumachers Handy klingelt.

Ok, Andrew. I'm coming in a second. Entschuldigung, ich muss gehen, ich habe eine Besprechung mit Andrew (Shovlin, Renningenieur, Anm. d. Red.), und wenn ich nicht gleich komme, gibt's eine Strafe.