Ludwigsburgs Coach John Patrick will auch in der kommenden Basketball-Bundesliga-Saison wieder das Optimale aus seiner Mannschaft herausholen. Foto: Baumann/Hansjürgen Britsch

Seit Jahren sorgt John Patrick dafür, dass die MHP Riesen Ludwigsburg über dem Soll liegen. Vor dem Start der neuen Basketball-Bundesliga-Saison spricht der Coach über verpasste Chancen, die gestiegene Erwartungshaltung und das Nationalteam.

Ludwigsburg - Die MHP Riesen Ludwigsburg starten mit dem Heimspiel gegen die Hamburg Towers (Samstag, 20.30) Uhr in die neuen Saison der Basketball-Bundesliga (BBL). Der Trainer John Patrick (53) muss das Team weiterentwickeln, um der gestiegenen Erwartungshaltung gerecht zu werden. Wie schätzt der Erfolgscoach die Lage ein?

Herr Patrick, auf was freuen Sie sich in der neuen Saison am meisten?

Wie immer auf das Abenteuer, auf neue, positive Gesichter mit gutem Charakter, auf den Enthusiasmus in meiner Mannschaft und natürlich auf die Fans, die sich mit uns endlich in der Halle wieder mitfreuen können.

Der traditionelle Umbruch in Ihrem Kader fiel etwas gemäßigter aus als in den vergangenen Jahren. Ein Vorteil?

Es ist etwas einfacher für mich, weil wir einen gewissen Stamm halten konnten und auch erfahrene Rückkehrer wie Tremmell Darden dazubekommen haben, die die Liga und das Umfeld sehr gut kennen. Hinzu kamen Neuzugänge, die sehr viel positive Energie versprühen.

Aber der vielleicht prägendste Spieler der Club-Historie ist weg.

Ganz klar. MVP Jaleen Smith wird uns als Führungsspieler fehlen. Er hat sich in den vergangenen beiden Jahren grandios entwickelt und sich den Sprung in die Euroleague absolut verdient. Er ist ein unendlich harter Arbeiter, ein extrem bescheidener Mensch. Alba Berlin darf sich freuen.

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Wie wollen Sie solch einen Abgang kompensieren?

Wie immer durch eine gute Teamchemie und ein geeignetes Spielsystem. Mir bleibt doch gar keine andere Wahl (lacht). Das Gute ist, dass die neuen Spieler und auch mein neuer Assistent Lars Masell sehr neugierig sind – auf alles bei uns. Davon werden wir hoffentlich profitieren.

Neu ist im Vergleich zur Vorsaison auch die Teilnahme Ihres Teams an der Champions League. Wie sehr ist diese zusätzliche Belastung mit Blick auf die Liga ein Handicap?

Zunächst sind diese Auftritte auf der internationalen Bühne auch sehr motivierend und interessant, nicht nur für die Fans, sondern auch für uns Trainer und die Spieler, die ohnehin lieber spielen als trainieren. Aber klar, wir haben eine starke Gruppe mit Topclubs aus der spanischen und italienischen Liga (Anm. d. Red.: Teneriffa oder Sassari), das geht an die Substanz, und bei unseren internationalen Spielen vor drei Jahren hatten wir mit großen Verletzungsproblemen zu kämpfen.

In der vergangenen Saison haben Sie von 34 Hauptrundenspielen nur vier verloren. Wäre solch eine Topbilanz mit zusätzlichen internationalen Spielen auch möglich gewesen?

Wer weiß das schon? Das kann keiner sagen. Das ist Spekulation. Ich halte mich lieber an Fakten. Und klar ist, dass wir in den vergangenen zwei Jahren in der Hauptrunde insgesamt nur sieben Spiele verloren haben.

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Und am Ende standen doch immer die Favoriten ganz oben auf dem Treppchen.

Wir haben vergangene Saison 18 Spiele nacheinander gewonnen und besaßen wirklich gute Chancen, deutscher Meister zu werden. Wir waren die beste Mannschaft in der Liga – trotz Verletzungen. Wir hätten es schaffen können.

Aber?

Wir kamen in den Play-offs auf dem Zahnfleisch daher, waren körperlich ausgelaugt, regelrecht kaputt. Das war diesem verrückten Spielplan der BBL geschuldet. Weil die Saison wegen Olympia Mitte Juni beendet sein musste, hat man die Spiele gnadenlos durchgepeitscht. Das war ein Albtraum für uns, ungesund und eigentlich ein Unding.

Alba Berlin und der FC Bayern München hatten aber sogar die Belastung durch die Euroleague in den Knochen.

Diese Mannschaften haben einen bis zu siebenmal höheren Etat als wir und daher ganz andere personelle Möglichkeiten, einen viel breiteren Kader.

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Also machen diese beiden Teams den Titel wieder unter sich aus?

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Belastung in der Euroleague mit 34 Spielen, dazu Bundesliga und Pokal ist schon extrem hoch für diese Topteams, aber ja, am Ende wird nach menschlichem Ermessen eines dieser beiden Teams wegen der hohen Qualität und Quantität im Kader den Titel holen.

Findet man sich damit in Ludwigsburg ab, oder spüren Sie nach der Vizemeisterschaft 2020, der besten Saison der mehr als 60-jährigen Clubgeschichte, und der Halbfinalteilnahme 2021 eine gestiegene Erwartungshaltung im Verein oder im Umfeld?

Es ist mein Anspruch, die Mannschaft Tag für Tag zu verbessern, aber ich glaube schon, dass hier alle realistisch einschätzen können, was wir aus unseren Möglichkeiten herausholen.

Sie waren auch als Bundestrainer im Gespräch. Jetzt ist es Gordon Herbert geworden. Ihre Einschätzung?

Zunächst muss ich sagen, dass Henrik Rödl als Bundestrainer einen super Job gemacht hat. Für mich hat er das Optimale herausgeholt. Dass nun Gordon Herbert auf ihn folgt, ist für mich völlig okay. Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit hier in Ludwigsburg, bin voll fokussiert auf meinen Job – und ich bleibe ein Fan der Nationalmannschaft.

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Und was ist denn grundsätzlich für eine gute Arbeit im Nationalteam entscheidend?

Ich denke, wenn man die Egos in der Mannschaft für ein verbindendes Teamwork zusammenbringt, hat man viel gewonnen.

Zur Person

Vita
John Patrick wurde am 29. Februar 1968 im Osten der USA in Maryland geboren. Als Spieler gelang dem einstigen Point Guard (Aufbauspieler) nie der Sprung in die höchste US-amerikanische Profiliga NBA – trotz eines Probetrainings bei den Golden State Warriors. Stattdessen verdiente er sein Geld als Trainer. Mit Toyota Alvark wurde Patrick 2006 japanischer Meister. Die BG Göttingen führte er 2007 in die Bundesliga, 2009 als Hauptrundenzweiter in die Play-offs um die Meisterschaft und 2010 zum Sieg in der Euro  Challenge. Gleich dreimal (2009, 2010 und 2021) wurde er zum BBL-Trainer des Jahres gewählt. Nach einem Engagement bei den s.oliver Baskets Würzburg (2011/12) trainiert er seit 2013 die MHP Riesen Ludwigsburg, die er in der Saison 2019/20 zur deutschen Vizemeisterschaft führte.

Privates
John Patrick ist verheiratet mit Alexandra. Das Paar hat die Kinder Jessica (24), Julian (21), Johannes (19), Jacob (17) und Judith (12). Ein Hobby des Pferde- und Hundeliebhabers ist Joggen.