Hat klare Erwartungen für seine Spieler: Riesen-Coach John Patrick Foto: Baumann

Ludwigsburgs Basketballtrainer formt die MHP Riesen zu einem Bundesliga-Spitzenteam – auf seine ganz eigene Art. Dabei setzt der US-Amerikaner auf ein frühzeitiges Scouting und erfolgshungrige Spieler.

Ludwigsburg - Die Zahlen sprechen für sich: sieben Siege aus acht Bundesliga-Spielen, drei aus fünf Eurocup-Partien. Die Ludwigsburger Bundesliga-Basketballer sind perfekt in die Saison gestartet. Derzeit grüßen sie von Platz zwei der Tabelle. Manch’ ein Fan der MHP Riesen reibt sich deshalb verwundert die Augen und fragt: „Waren wir sportlich nicht vor zweieinhalb Jahren noch abgestiegen?“

Ja, das waren sie. Nur dank des Kaufs einer 250 000 Euro teuren Wildcard schlägt das Erstliga-Herz der Riesen noch. Genau genommen machte sie erst das möglich, was zurzeit rund um die MHP-Arena passiert. Die Ludwigsburger befinden sich auf Höhenflug. Und die Fans gleich mit. Beim jüngsten 90:76 gegen die BG Göttingen jubelten 4056 Zuschauer in der Halle. Allerdings: Der Erfolg der Korbwerfer ist kein Zufall. Er hat System – und in der Barockstadt einen Namen: John Patrick.

Der US-Amerikaner, seit Januar 2013 Trainer bei den Riesen, hat es geschafft, die Mannschaft nach zwei Play-off-Teilnahmen in Folge zu einem Spitzenteam zu formen – und zwar auf seine eigene Weise. Kontinuität spielt dabei keine Rolle. Was nicht alle Fans mögen. Doch bis auf Shawn Huff, Adam Waleskowski und Center Jon Brockman hat Patrick den Kader vor der Saison komplett umgekrempelt. Wie so oft. Und erneut hat der fünffache Familienvater einen großen Wurf gelandet. Wen wundert’s? Die Spielerakquise ist die Stärke des 47-Jährigen. Nahezu alle Legionäre, die er an den Neckar lotst, schlagen ein. In der Vorsaison etwa DJ Kennedy, der aus Wolgograd kam und bester Werfer der Basketball-Bundesliga (BBL) wurde, oder Kapitän Brockman, der die meisten Rebounds der Liga pflückte.

Sondiert den weltweiten Spielermarkt wie kaum ein anderer

Auch in dieser Saison ragen die Zugänge hervor: Center Jason Boone, Spielmacher Mustafa Shakur sowie Tekele Cotton, Alvaro Munoz oder der drittbeste Vorlagengeber der BBL, Roderick Trice. Sie alle spielen groß auf. Der Tabellenplatz ist der beste Beweis dafür. Das Erfolgsrezept von Patricks Einkaufspolitik: Er sondiert den weltweiten Spielermarkt wie kaum ein anderer. Für jede Position hat er einen Ersatz im Kopf. Einen, den sich der Club (Saisonetat: 3,6 Millionen Euro) auch leisten kann. Dabei profitiert der studierte Jurist von seinem Netzwerk aus Ex-Spielern und Trainern sowie Agenten, die ihm ihre Klientel vermitteln wollen. Dadurch weiß er genau, wo in Litauen, Italien oder den USA ein Profi gerade mit seiner Situation unzufrieden ist und ein potenzieller Spieler für sein Team sein könnte.

Patrick achtet bei den Kandidaten aber nicht nur darauf, wie ihr Punkteschnitt ist oder wie sie auf den zugesendeten Videos agieren. Nein, Patrick geht weiter als das Gros seine Kollegen. „Wenn ich einen Spieler verpflichten will, informiere ich mich bei früheren Mitspielern oder rufe seine ehemaligen Trainer an“, erzählt er. Er lässt dann das Telefon glühen. Meistens nachts. Denn wenn in Deutschland die Sonne untergeht, geht sie in den USA, im Land der besten Basketballer und deren Agenten, auf.

Der Trainer, der bis 2017 noch einen Vertrag in Ludwigsburg hat, treibt bei seinen nächtlichen Missionen nur ein Ziel an: Er will wissen, ob die Neuen von ihrer Einstellung zum Team passen. Die hat bei ihm Vorrang – vor Talent, Können, Spielverständnis oder Leistungsdaten. Clubboss Alexander Reil bestätigt das: „Vor der Saison hat er mir einen Spieler gezeigt, bei dem alles stimmte“, erzählt der Vorsitzende der MHP Riesen: „Dann habe ich ihn gefragt, warum wir ihn nicht holen. Daraufhin hat John Patrick gesagt: ‚Weil sein Team keinen Erfolg hatte.’“

Den hat der BBL-Trainer der Jahre 2009 und 2010 dafür in Ludwigsburg. „Ich bin stolz auf die Entwicklung und die Fortschritte“, sagt er. Auch weil seine Schützlinge seinen Spielstil, die druckvolle Defensive, verinnerlicht haben. „Wir können aber auch variabel agieren“, ergänzt er: „So können wir unsere Stärken betonen und unsere Schwächen kaschieren.“

Letztlich muss sein Team aber harmonisieren – auch außerhalb des Spielfeldes. Und das tut es im Moment. Bei Geburtstagen wird im Training gesungen oder abends mal ein gemeinsames Pizzaessen organisiert. „Der Weg zum Erfolg ist vielschichtig“, sagt Patrick, der mit Göttingen 2010 die Euro Challenge gewann: „Aber der Erfolg ist fast immer möglich.“ Ob auch an diesem Dienstag (19.15 Uhr)? Warum nicht? Die Riesen treten zwar bei Bundesliga-Spitzenreiter Alba Berlin im Eurocup an, doch die Albatrosse mussten ausgerechnet im Hinspiel in Ludwigsburg ihre einzige Saisonniederlage einstecken. Wenn einer also die Erfolgsstrategie gegen den Hauptstadt-Club kennt, dann ist es John Patrick.