Kritik von Riesen-Coach John Patrick (re.): Coby Karl hat kaum mehr eine Zukunft in Ludwigsburg Foto: Baumann

So schnell kann’s gehen: Vor neun Monaten war er noch der Play-off-Held bei den MHP Riesen Ludwigsburg – nun droht Publikumsliebling Coby Karl (31) beim Bundesligisten das Aus.

Ludwigsburg - Es ist nicht die Rolle, die ihn glücklich macht. Allein die Farben seiner Kleidung zeigen seinen Gemütszustand. In dunkler Jeans und schwarzem Polo-Shirt sammelt Coby Karl mit finsterer Miene die Basketbälle ein, die seine Teamkollegen beim Einwerfen nicht im Netz versenkt haben. Der Profi von Bundesligist MHP Riesen Ludwigsburg darf wieder einmal nicht mitspielen. Erneut darf er nur zuschauen. Wie zuletzt beim 70:53-Heimerfolg gegen den Mitteldeutschen BC. Coby Karl ist nur noch Balljunge – allerdings der bestbezahlte, den es jemals in Ludwigsburg gegeben hat.

Noch vor neun Monaten war der Sohn von NBA-Trainerlegende George Karl der gefeierte Held in der Barockstadt. Der Höhepunkt: Mit einem spektakulären Zwei-Punkte-Wurf in der Schlusssekunde, einem Buzzer-Beater, gegen Bayern München erzwang der 31-Jährige ein weiteres Play-off-Spiel gegen den späteren deutschen Meister. In der vergangenen Spielzeit gehörte er in der Basketball-Bundesliga (BBL) zu den effizientesten Spielern. Doch in der aktuellen Saison ist Karl aufs Abstellgleis geraten. Seine Bilanz in bislang 14 BBL-Spielen ist mies: Er trifft nur mit 31,3 Prozent seiner Schüsse und macht nur 7,1 Punkte im Schnitt. „Er kann uns derzeit nicht helfen“, begründet Trainer John Patrick den Verzicht auf den bei den Fans beliebten Spieler, der im Vorjahr von Pallacanestro Reggiana (Italien) zu den Riesen gewechselt war.

Aber woran liegt’s, dass der 1,96 Meter große US-Profi nur noch auf der Tribüne sitzt? Mangelnde Fitness, fehlende Motivation, schwache Psyche? Es ist wohl von allem ein bisschen. Besonders sauer stieß John Patrick auf, dass sich Karl in der Sommerpause nicht an den mitgegebenen Trainingsplan hielt. Obwohl sein Vertrag kurz zuvor zu höheren Konditionen (geschätztes Jahresgehalt 130 000 Euro) um ein Jahr verlängert wurde. Anstatt sich körperlich in Schuss zu halten, coachte Coby Karl in der US-Summerleague als Assistent die Chicago Bulls. „Das geht nicht“, sagt Patrick und gibt zu: „Er hat mich enttäuscht.“

Erschwerend kam hinzu, dass der 46 Jahre alte Trainer gerade in dieser Zeit im Sommer ein Team um seinen bis dato vorgesehenen Schlüsselspieler baute. In Chris McNaughton verpflichtete er einen baumlangen Center, der mit der vorgesehenen Halbfeldverteidigung gut mit Karl hätte harmonieren können. Aber schon in der Vorbereitung und den ersten Testspielen merkte Patrick, dass Flügelspieler Coby Karl außer Form und mental nicht auf der Höhe ist.

John Patrick reagierte, modelte sein Team um, verpasste ihm eine neue Defensiv-Philosophie. In den US-Boys David John Kennedy, Kerron Johnson und Jon Brockman lotste er drei neue Führungsspieler nach Ludwigsburg. Und weil in John Little, Michael Stockton (beide USA) und Shawn Huff (Finnland) bereits drei Ausländer im Kader sind, auf die Patrick setzt, ist für Karl angesichts der Regel in der BBL (ein Team darf nur sechs Nicht-Deutsche aufbieten) kein Platz.

„Ich will mich weiter aufdrängen und wieder für die Riesen spielen“, sagt der wortkarge Rotschopf Karl immerhin. Und es klingt, als würde er fest daran glauben. Doch das Kapitel Ludwigsburg scheint Geschichte zu sein. Denn der von Patrick erhoffte Hallo-wach-Effekt bei Karl – durch die Geburt seiner Tochter Kennedy zwischen den Jahren – blieb aus. Und so macht der Riesen-Trainer keinen Hehl daraus, seinen Schützling von der Lohnliste streichen zu wollen – vorausgesetzt ein anderer Verein würde ihn nehmen.

Interessenten gibt es viele – Karl soll bereits im Sommer vom FC Bayern umworben worden sein. Nur bezahlen können ihn die wenigsten. MBC-Coach Silvano Poropat würde ihn sofort verpflichten. „Bei uns ist für so einen überragenden Spieler massig Platz“, sagt der frühere Ludwigsburger Trainer. Einzig das Geld fehlt Poropat. Der Club aus Weißenfels versucht mit einem Mini-Etat von 2,1 Millionen Euro (Ludwigsburg: 3,2 Millionen Euro) den Ligaverbleib zu schaffen. Dasselbe Ziel haben die Riesen. An diesem Samstag (18.30 Uhr/Paul-Horn-Arena) geht’s für sie zum Derby zu den Tigers Tübingen. Coby Karl wird vermutlich mitfahren. Höchstwahrscheinlich aber nur, um beim Aufwärmen Bälle einzusammeln.