Die Produktion im Ceratizit-Werk in Besigheim wird nächstes Jahr eingestellt. Foto: /Andreas Essig

Rund 350 Mitarbeiter des Metallverarbeiters Ceratizit in Besigheim (Kreis Ludwigsburg) müssen sich einen neuen Job suchen.

Und wieder trifft es ein Unternehmen, das im weiteren Sinne der Automobilindustrie zuarbeitet. Das Ceratizit-Werk in Besigheim soll bis Ende 2026 geschlossen werden. Dass auch das Werk in Empfingen im Landkreis Freudenstadt dichtmachen muss, dürfte für die rund 350 Menschen, die am Standort Besigheim arbeiten, kaum ein Trost sein. Dort werden Bohrwerkzeuge für die Zerspanungsindustrie entwickelt und gefertigt.

 

Laut einer Pressemitteilung der Unternehmenszentrale in Luxemburg will das Unternehmen mit einer Neuausrichtung seines internationalen Produktionsnetzwerks seine Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt für Hartmetall weiter stärken. „Bedingt durch die hohe Abhängigkeit vom Automotive-Geschäft sowie den Märkten in Deutschland und Europa stehen dabei insbesondere die Standorte in Besigheim und Empfingen im Fokus. Sie kämpfen nicht nur mit der aktuell und perspektivisch schwachen Auftragslage, sondern auch mit einer international schwierigen Wettbewerbssituation“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Und da der Kostendruck weiterhin hoch sei und die Auftragslage „auf absehbare Zeit herausfordernd“, wolle man mit dem Schritt die Wettbewerbsfähigkeit der Gruppe erhalten. „Die Maßnahmen zielen darauf ab, Skaleneffekte, Synergien und Standortvorteile stärker zu nutzen und Redundanzen abzubauen.“

Produktion geht nach Österreich, Polen und Bulgarien

Die Besigheimer und Empfinger Produktion werde künftig auf Werke im österreichischen Reutte, im polnischen Kędzierzyn-Koźle und im bulgarischen Gabrovo verteilt, wo heute bereits andere Zerspanungswerkzeuge hergestellt würden, sagt Pressesprecher Parwez Farsan auf Nachfrage. Zu alternativen Stellen für die betroffenen Mitarbeiter in anderen Werken könne man aktuell noch keine Aussage treffen, ebenso wenig zu möglichen Abfindungen. „Das Thema wird Gegenstand der Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite sein“, so Farsan. Das Unternehmen hat aktuell 15 Standorte in Deutschland, von denen sechs unter dem Namen Ceratizit firmieren.

Besigheims Bürgermeister Florian Bargmann zeigte sich sehr betroffen von der Ankündigung. Die Entscheidung treffe nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern die gesamte Stadtgemeinschaft. Dankbar sei er für den offenen und direkten Austausch; er sei von der Geschäftsleitung persönlich informiert worden. Die Stadt werde in enger Abstimmung mit allen Beteiligten nach Wegen suchen, die Folgen dieser Schließung bestmöglich abzufedern.

Herber Einschnitt für Besigheim

„Dass es gerade unseren Standort in dieser Form trifft, ist ein herber Einschnitt“, so der Bürgermeister weiter. „Ceratizit, vormals Komet, hat in Besigheim eine lange Tradition und stand bisher für Beständigkeit und Innovationskraft. Dennoch zeigt sich, dass der Wandel in der Industrie tiefgreifende Auswirkungen hat, auch auf etablierte Unternehmen.“ Im Zuge des strukturellen Wandels beobachte man die Entwicklungen in der Automobil- und Zulieferindustrie mit Sorge.

Der Verlust von 350 Arbeitsplätzen bedeute für die Stadt eine große Herausforderung, denn dahinter stünden mehr als 350 Schicksale, wenn man an die Familien der Betriebsangehörigen denke. „Viele unserer Bürgerinnen und Bürger arbeiten in diesem Werk, haben dort über Jahre hinweg Fachwissen und Erfahrung aufgebaut. Unsere Aufgabe als Stadt ist es nun, sie nicht alleine zu lassen, sondern gemeinsam mit Ceratizit, regionalen Unternehmen, Wirtschaftsförderern und der Agentur für Arbeit Perspektiven zu entwickeln. Zudem werden wir alles daran setzen, den Standort für neue Investitionen attraktiv zu machen und langfristig Arbeitsplätze zu sichern“, so Bargmann.

Angekündigte Schließung kam überraschend

Natürlich gebe es auch wirtschaftliche Auswirkungen für die Stadt – etwa einen Rückgang des Einkommenssteueranteils sowie eine geringere Kaufkraft. Diese könne sich wiederum auf den lokalen Handel und den Dienstleistungssektor auswirken – mit Folgen für die Umsatz- und Gewerbesteuer, aber auch für Handel und Dienstleistungsbetriebe selbst. „Konkrete Zahlen lassen sich derzeit noch nicht nennen, aber es steht außer Frage, dass wir uns als Stadt mit diesen wirtschaftlichen Herausforderungen intensiv auseinandersetzen müssen.“

Von der Geschäftsführung in Besigheim stand niemand für weitere Auskünfte zur Verfügung. Dass die Ankündigung der Werksschließung aber einigermaßen überraschend gekommen sein dürfte, lässt sich schon daran ablesen, dass auf der Homepage des Unternehmens nach wie vor um Azubis und Interessenten eines dualen Studiums geworben wird. Ceratizit präsentiert sich hier als attraktiver Arbeitgeber.