Vorläufiges Ende der Verhandlungen: Mit finsteren Mienen erläutern Südwestmetall-Chef Stefan Wolf (links) und Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger ihre Sicht der Dinge. Foto: dpa

Das vorläufige Scheitern der Tarifverhandlungen in Stuttgart offenbart einen tiefen Bruch zwischen IG Metall und Arbeitgebern. Es sieht so aus, als sei die Gewerkschaft von vorneherein auf die nun geplanten 24-Stunden-Streiks zugesteuert, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft der Metall- und Elektroindustrie hat sich ein Graben von tarifhistorischem Ausmaß aufgetan. Nun wird die IG Metall zum ersten Mal ihre 24-Stunden-Streiks auf den Weg bringen. Diese werden den Unternehmen über Baden-Württemberg hinaus richtig weh tun, denn die Ausfälle werden angesichts der momentan hohen Auslastung, wenn überhaupt, nur schwer zu kompensieren sein.

Stuttgart - Die Verhandlungsführer überhäufen sich nun mit Schuldzuweisungen: Demnach hat die jeweils andere Seite weitreichende Kompromissangebote nicht angenommen, ist von eigenen Zugeständnissen abgerückt und hat den Fortgang mit immer neuen Nachforderungen und Winkelzügen blockiert. Die Schuld für das Versagen lässt sich von außen betrachtet nicht eindeutig zuweisen – beide Lager werden ihren Anteil an der desaströsen Lage haben. Fest steht, dass damit ein massiver Vertrauensschaden entstanden ist. Und wenn die führenden Unterhändler ihre Vorwürfe nur halbwegs ernst meinen, können sie nicht nach wenigen Streiktagen wieder zielstrebig in Richtung Tarifabschluss marschieren. Das bedeutet, dass dieser Konflikt noch lange nicht gelöst ist, zumal weiterhin der erste Flächenstreik in Baden-Württemberg seit 2002 droht.

Die Ganztagesstreiks von vorneherein einkalkuliert

Es sieht so aus, als wollte die IG-Metall-Führung die Ganztagesstreiks von vorneherein unbedingt in die Praxis umsetzen. Denn diese sollen nicht nur die Arbeitgeber unter Druck setzen, sondern haben auch eine Bindewirkung für die eigene Basis. Ausgehend von den Hardlinern in den Betrieben hatte sich dort wegen angeblicher Streikunfähigkeit der Gewerkschaft in den vergangenen Jahren großer Unmut breit gemacht – die routinierten Warnstreiks erschienen vielen zu harmlos. Diese Klientel wird nun zufrieden gestellt. Die Pragmatiker haben da gerade kaum eine Chance.

Für diese Sicht spricht auch die Gehaltsvorstellung der IG Metall. Sechs Prozent war ihre Ausgangsforderung, nun sollen es acht Prozent in 27 Monaten sein – 4,5 Prozent allein in der ersten Stufe. Angesichts der guten Konjunktur wird voll zugelangt, obwohl die Beschäftigten der Metallindustrie schon zu den Besserverdienern zählen. Immer höher wurde die interne Messlatte in jüngster Zeit gelegt. Und man muss annehmen, dass es die Gewerkschaft nach ihren Ganztagesstreiks den Arbeitgebern nicht billiger machen wird, als diese es bisher zugestanden haben.

Gerichtliche Auseinandersetzung mit Risiken

Damit gerät der Ball auch bald ins Spielfeld der Arbeitgeber, die die Gegenseite seit dem Spätsommer vor einer rechtswidrigen Forderung im Zusammenhang mit der befristeten Teilzeit sowie zugleich vor juristischen Gegenmaßnahmen gewarnt haben. Nun wollen sie die angekündigten Klagen gegen die Streiks in die Tat umsetzen. Käme es noch zur gerichtlichen Auseinandersetzung, würde die bewährte Tarifpartnerschaft binnen weniger Tage in Grund und Boden gestampft. Die Nachwirkungen könnten jahrelang zu spüren sein.

Besonders bedauerlich ist, dass das Kernanliegen der IG Metall, einen sozialpolitischen Fortschritt im Bereich der Arbeitszeit am Tarifverhandlungstisch zu erreichen, durch die Eskalation völlig aus dem Blick geraten ist. Die befristete Teilzeit ist zwar nicht erledigt – irgendwann müssen die Tarifparteien wieder zusammenkommen und etwas Sinnvolles vereinbaren. Die Arbeitgeber erhoffen sich ja auch weiterhin ein größeres Mehrarbeitsvolumen. Schon jetzt absehbar ist ein hochkomplexes Konstrukt, das gerade kleineren mittelständischen Betrieben kaum zu vermitteln sein wird. Wenigstens daraus etwas Gutes für beide Seiten zu machen, ist nach der zwischenzeitlichen Annäherung nun deutlich schwerer geworden. Nun wird im Vordergrund stehen, wer zur größeren Machtdemonstration in der Lage ist. Dass dies die Unternehmen und Beschäftigten voran bringt, erscheint sehr fraglich.