Die Polizei kontrolliert nach der Messerstecherei Korsoteilnehmer an der Theo­dor- Heuss-Straße. Foto: 7aktuell/Andreas Werner

Nach der Messerstecherei am Rande eines Pro-Erdogan-Autokorsos steht noch nicht fest, ob die Tat politisch motiviert gewesen ist.

Die Hintergründe einer Messerstecherei beim Autokorso der Erdogan-Anhänger am Sonntag in Stuttgart sind noch nicht geklärt. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft treffen zumindest noch keine Aussagen zu den Hintergründen und Motiven. Nur eins steht fest: Es wird auch ermittelt, ob die Tat politisch motiviert sein könnte. Das wäre etwa der Fall, wenn die Angreifer, die auf den Wagen eines Korsoteilnehmers losgingen, kurdische Wurzeln hätten und der Autofahrer Nationaltürke wäre. Aber auch andere politisch motivierte Konstellationen sind nach den kontroversen Diskussionen im Vorfeld der Wahl in der Türkei denkbar. In die Ermittlungen ist daher neben der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg eingebunden.

Am Sonntag soll eine Gruppe am Rande der Theodor-Heuss-Straße auf einen Wagen losgegangen sein, der im Korso mitfuhr. Jubelnde Menschen feierten mit Rumkurverei und Gehupe den Wahlsieg Recep Tayyip Erdogans in der Stichwahl.

Warum die Gruppe dieses Auto auswählte und ob der Mann ausstieg oder herausgezogen wurde, das sei noch Gegenstand der Ermittlungen, sagt der Polizeisprecher Jens Lauer. Der 26-jährige Autofahrer wurde mit Messerstichen verletzt. Ebenso zwei Männer aus den Reihen der Angreifer. Auch sie erlitten Stichwunden, allerdings wesentlich schwerere als der Autofahrer. Die beiden 18 und 19 Jahre alten Männer wurden schwer verletzt, einer habe sogar in Lebensgefahr geschwebt. Die Polizei kann noch nichts dazu sagen, wer nun genau wen verletzte. Auch wenn es schon genauere Erkenntnisse geben würde, würde sie sich bedeckt halten – denn bislang sind noch kaum Vernehmungen gelaufen. Aber die beiden Schwerverletzten gelten als Tatverdächtige. Einsatzkräfte der Polizei waren vor dem Rettungswagen am Tatort. Sie konnten Erste Hilfe leisten und den lebensgefährlich verletzten Mann stabilisieren, bis die Rettungskräfte eintrafen.

Ermittelt werde „sowohl im Hinblick auf ein mögliches versuchtes Tötungsdelikt als auch im Hinblick auf eine gefährliche Körperverletzung“, teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit. Haftbefehle seien bislang keine ergangen, trotz des schweren Tatverdachts. „Man braucht dafür ausreichende Haftgründe“, erläutert der Pressesprecher. Wenn jemand einen festen Wohnsitz hat und sozial gut eingebunden ist, dann falle der Haftgrund der Fluchtgefahr schon mal weg.

Das Landeskriminalamt sei hinzugezogen worden, um die möglichen politischen Hintergründe ebenfalls zu überprüfen, sagt dessen Pressesprecher David Fritsch. Es werde abgeklopft, wer von den kontrollierten Personen im Umfeld des Korsos und der Proteste dagegen welchen Hintergrund habe – politisch gesehen. Dann werde, eventuell auch in Abstimmung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, noch ermittelt, ob es einschlägige „Hinwendungsorte“ gebe, das könnten Treffpunkte politischer Gruppierungen sein. Bislang sei aber noch unklar, ob die Straftaten politisch motiviert gewesen seien. Die Ermittlungen lägen weiterhin in den Händen des Polizeipräsidiums Stuttgart und der hiesigen Staatsanwaltschaft. Das Landeskriminalamt unterstütze diese.