Führungswechsel im Merlin (von links): Annette Aulke, Holger Eichhorn und Barbara Bruns Foto: Petsch

Holger Eichhorn geht nach 21 Jahren Kulturzentrum Merlin in Stuttgart-West in den Ruhestand.

Stuttgart - Bei den meisten wird es wohl eine Frage des Alters sein, ob man mit Künstlernamen wie Mio Myo, Stereo Arcade oder Miss Kenichi die entsprechende Musik verbindet. In einem Kulturzentrum wie dem Merlin muss anders gedacht werden. Diese Institution gibt es nun schon seit 28 Jahren in der Innenstadt, zunächst in der Furtbachstraße, seit 1990 in der Augustenstraße, doch es muss sich immer neu erfinden. Das gilt auch für dessen Sommermusikfestival, das es nun auch schon seit 22 Jahren gibt, das irgendwann mal griffig in "Klinke" umgetauft worden ist. Wer wissen will, was aktuell angesagt ist, kann dies an sommerlichen Ferienabenden tun bei freiem Eintritt, Mio Myo & Co. waren in diesem Jahr dort vertreten.

Merlin: Der Anfang als Tee- und Müslistube

21 Jahre lang hat Holger Eichhorn die Geschicke des Merlins geleitet, jetzt geht er in den Ruhestand. Seit etwa 18 Jahren ist Barbara Bruns dabei, die sich um "Klinke" kümmert. Neu im Leitungsteam ist jetzt die 41-jährige Annette Aulke, die Eichhorn als Geschäftsführerin ablöst. Begonnen hat das Merlin wie andere Einrichtungen in der Stadt als Tee- und Müslistube, in der man sich intensiv über gesellschaftliche Themen austauscht. Dieser Aspekt der Soziokultur ist geblieben, doch der Veranstaltungsteil hat heute mehr Gewicht, ist ausdifferenzierter. Eichhorn: "Das Merlin muss neugierig auf Neues machen. Die Leute müssen das Gefühl haben, dass hier was passiert, dass man deshalb hierherkommen möchte. Das heißt, wir müssen Anstöße da geben, wo andere Einrichtungen noch nicht sind."

Aulke drückt das so aus: "Wir müssen unseren Kulturbegriff selbst definieren, es gibt bei uns keine Veranstaltungen aus dem Katalog." Dazu ist eine genaue Standortbestimmung wichtig. Dazu Eichhorn: "Stuttgart hat so ziemlich die höchste Theaterdichte unter den deutschen Großstädten. Kabarett und Comedy sind gut vertreten in der nahe gelegenen Rosenau und im Renitenz-Theater. Das müssen wir nicht auch noch bedienen. Deshalb gibt es bei uns viel Musik."

Oder man holt sich diese Genres in Form von Koproduktionen ins Haus. Eichhorn: "Früher handelten die Einrichtungen nach dem Motto ,Rühr mich nicht an'. Heute wird der Mehrwert von Gemeinschaftsveranstaltungen erkannt. Aulke: "Ich bin ein Teammensch, ich will diese Partnerschaften pflegen. Denn es soll ein kultureller und ästhetischer Genuss sein, was man im Merlin auffindet."

Kräfte im Stadtteil bündeln

Zu diesem Miteinander gehört auch die finanzielle Ausstattung: "Wir haben dafür gekämpft, dass die Rosenau wie wir einen städtischen Zuschuss bekommt", so Eichhorn", "wir haben sie dabei tatkräftig unterstützt." Etwa mit der Empfehlung, einen Verein sowie einen Beirat zu gründen. "Das war ein kluger Schachzug von uns damals vor zwölf Jahren", so Eichhorn, "unser Beirat ist heute hochkarätig besetzt."

Kein Grund für Aulke, sich auszuruhen. Sie hat da auch schon konkrete Ideen: "Die Kooperationspartnerschaften im Bereich Soziokultur sind noch ausbaufähig. Ich denke da an die Stadtteile und all die Stiftungen. Diese Kräfte wollen wir bündeln." Diese Arbeit ist nicht neu für sie, acht Jahre lang arbeitete sie in einem Kulturzentrum in Düsseldorf, die letzten drei Jahre als Geschäftsführerin. Deshalb sagt sie auch sehr glaubwürdig: "Das Merlin hat eine tolle Größe als Veranstaltungsort. Und dann gibt es noch unseren Biergarten mitten im Westen. Das hat doch was. Und wenn es mal größere Veranstaltungen gibt, können wir ja ausweichen - in die Liederhalle oder in die Wagenhallen."

Das Merlin hat heute einige feste Kooperationspartner bei Festivals, etwa das Hotel Le Méridien beim Chansongfest oder den SWR beim Kabarettfestival. Dass einem bei der Nennung dieser Festivals zuerst die Partner auffallen, ist für Eichhorn kein Problem: "Es geht hier doch nicht nur ums Merlin, sondern darum, dass die Künstler gerne nach Stuttgart kommen, weil sie sich hier wohlfühlen. Davon profitieren wir dann auch." Und so kann auch das Merlin stolz darauf verweisen, eine frühe Karrierestufe von Künstlern wie Helge Schneider, Wolfgang Niedecken oder Georg Schramm zu sein.