Unaufgeregt bis einschläfernd: die Wahlkämpferin Angela Merkel. Foto: dpa

Die CDU liegt in Umfragen so weit vor der SPD, dass Kanzlerin Angela Merkel der direkten Konfrontation ausweicht und nur offensiv wird, wo es unbedingt nötig erscheint. Ihr Gegner Martin Schulz findet bisher kein Mittel dagegen.

Berlin - Jetzt geht’s los. Der Wahlkampfzug der Union kann ins Rollen kommen. Die Kanzlerin ist aus dem Urlaub zurück und beginnt damit, ihre rund 50 großen Auftritte bis zum Wahltag am 24. September zu absolvieren. Sie hätte ihren Urlaub auch verlängern können. Blendende Wirtschaftsdaten, entspannter Arbeitsmarkt, gute Haushaltslage, günstige Umfragewerte: Da kann man im Unionslager durchaus auf die Idee kommen, dass es klug wäre, die Wähler, die angesichts des zentralen Wahlkampfslogans der Christdemokraten („Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“) schon in sanften Schlummer gefallen sind, bis zum Wahltag gar nicht mehr zu wecken.

Tatsächlich vermeidet Angela Merkel alles, was aus der Vorwahlzeit einen richtigen Wahlkampf machen könnte, gar einen Zweikampf. Zu Wochenbeginn, bei ihrer Rede zum Start der Kampagne 2017 im hessischen Gelnhausen, dem Wahlkreis von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, erwähnt sie ihren sozialdemokratischen Herausforderer Martin Schulz mit keinem Wort. In die Niederungen des kleinteiligen tagespolitischen Argumentierens will sich die Amtsinhaberin gar nicht mehr begeben. Schulz ist bekennender Fußballfan. Es will sich so anfühlen, als spiele er in einer Mannschaft, die in der Nachspielzeit zurückliegt und dringend den Ball braucht. Doch der Gegner spielt an der Eckfahne herum, holt Einwürfe und Freistöße heraus und dribbelt sich über die Zeit.

Merkel nimmt keinen Fehdehandschuh auf

Frustfouls liegen in der Luft. Gerade hat Ex-SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) der Kanzlerin „eine Unterwerfung unter den US-Präsidenten“ vorgeworfen, wie er sie „noch vor Kurzem nicht für möglich gehalten hätte“ – weil Merkel zur Vereinbarung der Nato-Partner steht, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Die Bundestagswahl solle zur Abstimmung darüber werden, ob Deutschland „Trumps Rüstungswahn folgt“.

Merkel nimmt auch diesen Fehdehandschuh nicht auf. Der Vorgang zeigt nur, dass die SPD zunehmend verzweifelt nach zündenden Wahlkampfthemen sucht. Dabei schien der Dieselskandal für die Union, die mit Alexander Dobrindt (CSU) immerhin den Bundesverkehrsminister stellt, gefährlich werden zu können. Alle Umfragen zeigen, dass die Bürger mehrheitlich der Meinung sind, die Politik habe ihre Kontrollfunktion nicht hinreichend ausgeübt.

Bezeichnend ist es, wie Merkel damit umgeht. Erster Akt: Um aus der verbalen Defensive herauszukommen, nutzte sie am Wochenende eine Rede in Dortmund zur Attacke: „Weite Teile der Automobilindustrie haben unglaubliches Vertrauen verspielt.“ Das klingt handlungsstark. Offen bleibt, was das politisch bedeutet. Zweiter Akt: In einem Interview spricht sie sich grundsätzlich für ein Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren aus, vermeidet aber jede Festlegung auf ein konkretes Datum. Dritter Akt: Das Dieselthema soll Chefsache werden, nach der Wahl werde sie am nächsten Dieselgipfel persönlich teilnehmen. Schlussakt: In der Gelnhauser Wahlkampfrede, die nun in Variationen bis zum September zu hören sein wird, beruhigt sie: Dieselkäufer sollen nicht mit Fahrverboten bestraft werden. Politisch ist das alles bewusst unkonkret, soll aber irgendwie das Gefühl vermitteln: Sie kümmert sich.

Bloß keine Koalitionsdebatten

Merkel macht Wahlkampf im Weichspülgang. Die Union werde die Leute nicht mit einer Vermögensteuer „verrückt machen“, auch „nicht wieder an die Erbschaftsteuer rangehen“. Und überhaupt sei sie ja die Vorsitzende der Partei von „Maß und Mitte“. Ein TV-Duell wird es mit Martin Schulz geben. Es ist der Versuch einer Ruhestörung. Irgendwie ahnt man, wie er ausgehen wird.

Im Schlafwagen an die Macht? Fast wirkt es so, als sei das selbst einigen Granden in der eigenen Partei zu langweilig. Mit Jens Spahn und Daniel Günther haben sich zwei Junge zu Wort gemeldet, die (ihre) Zukunft im Blick haben. Ihr offenes Werben für ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen könnte dem dösigen Wahlkampf eine Vision geben. Was sagt Merkel dazu? „Es versteht sich von selbst, dass ich im Wahlkampf für die Stärke meiner Partei kämpfe und keinen Koalitionswahlkampf führe.“ Also bitte, alle wieder hinlegen!